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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Nicht-spezifischer Rückenschmerz – ein strukturierter, evidenzbasierter Behandlungspfad für AllgemeinmedizinerInnen

Meeting Abstract

  • Thomas Semlitsch - Medizinische Universität Graz, Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung, Graz, Austria
  • Klaus Jeitler - Medizinische Universität Graz, Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung, Graz, Austria
  • Cornelia Krenn - Medizinische Universität Graz, Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung, Graz, Austria
  • Carolin Zipp - Medizinische Universität Graz, Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung, Graz, Austria
  • Karl Horvath - Medizinische Universität Graz, Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung, Graz, Austria

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf336

doi: 10.3205/19dkvf336, urn:nbn:de:0183-19dkvf3367

Published: October 2, 2019

© 2019 Semlitsch et al.
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Text

Hintergrund: Schmerzen sind eine weit verbreitete Gesundheitseinschränkung und bedeuten für die Betroffenen eine Beeinträchtigung im Wohlbefinden und in der Lebensqualität. Probleme im Rücken zählen in den Industrienationen zu den häufigsten Gesundheitsbeschwerden [1], wobei in 85% der Fälle die Schmerzen auf keine spezifische Ursache zurückgeführt werden können [2]. Die Therapie richtet sich daher nach den jeweiligen Symptomen und dem aktuellen Funktionsstatus. Die erste Anlaufstelle für chronische Schmerzpatienten sind dabei häufig ÄrztInnen für Allgemeinmedizin, die jedoch meist nur eingeschränkt eine adäquate Schmerzbehandlung anbieten können [3].

Fragestellung: Ziel des Projektes war die Entwicklung eines strukturierten Behandlungspfads zur Versorgung von Patienten mit nicht-spezifischem Rückenschmerz auf Primärversorgungsebene, basierend auf Empfehlungen aus aktuellen evidenzbasierten Leitlinien.

Methode: Die Identifizierung der Leitlinien erfolgte durch systematische Literaturrecherchen in Pubmed sowie in den Leitliniendatenbanken von AWMF, NGC, G-I-N, NICE und SIGN. Zusätzlich wurde eine ergänzende Handsuche auf den Webseiten relevanter Fachgesellschaften durchgeführt. Eingeschlossen wurden aktuell gültige, evidenzbasierte Leitlinien in deutscher oder englischer Sprache zu nicht-spezifischen Rückenschmerzen aus Industrienationen ab dem Jahr 2013. Für alle eingeschlossen Leitlinien erfolgte eine Bewertung der methodischen Qualität mittels AGREE-II Instrument [4]. Alle formal erkennbaren Empfehlungen mit Relevanz für die Primärversorgung wurden unter Angabe des Empfehlungsgrads extrahiert. In einer Leitliniensynopse wurden die Empfehlungen thematisch gruppiert und einander vergleichend gegenübergestellt. Es erfolgte eine Zusammenfassung von inhaltlich kongruenten Empfehlungen zu Kernaussagen, auf deren Grundlage abschließend ein strukturierter Behandlungspfad entwickelt wurde.

Ergebnisse: Die Recherchen in den unterschiedlichen Quellen ergaben insgesamt 1198 Treffer, aus denen nach Abstract- bzw. Volltextscreening insgesamt 12 Publikationen als relevant identifiziert wurden. Diese konnten 9 unterschiedlichen Leitlinien zugeordnet werden, welche schließlich für die in die Entwicklung des Behandlungspfads herangezogen wurden. Die Beurteilung der Leitlinienqualität ergab einen mittleren AGREE-II Gesamtscore von 5,3 (± 0,9) Punkten auf der 7-stufigen Bewertungsskala, was eine insgesamt moderate bis gute Qualität widerspiegelt. Aus den 9 Leitlinien konnten 482 relevante Empfehlungen, 152 davon mit hohem Empfehlungsgrad, extrahiert werden. Daraus wurden 212 Kernaussagen zu 7 Themenbereichen (Assessment/Diagnostik, nicht-medikamentöse Therapien, medikamentöse Therapien, invasive Verfahren, multimodale Schmerztherapie, Rehabilitation, Nachsorge) abgeleitet. Basierend auf diesen Kernaussagen wurde letztlich ein strukturierter Behandlungspfad nicht-spezifischer Rückenschmerz für Österreich entwickelt, welcher aus einem einfachen graphischen Algorithmus und einem Dokument mit korrespondierenden Infoboxen (mit detaillierten Empfehlungen zum Vorgehen) besteht.

Diskussion: Auf Grund der Berücksichtigung aller systematisch recherchierten aktuellen evidenzbasierten Leitlinien zu nicht-spezifischem Rückenschmerz, der insgesamt moderaten bis guten Qualität der Leitlinien nach AGREE-II, sowie der weitgehenden inhaltlichen Übereinstimmung der Leitlinien im Hinblick auf das generelle therapeutische Vorgehen, ist eine hohe Robustheit des Behandlungspfads gegeben. Darüber hinaus liegen gerade zum Thema nicht-spezifischen Rückenschmerz sehr viele erst vor Kurzem veröffentliche Leitlinien vor, sodass die Evidenz als hinreichend aktuell anzusehen ist.

Praktische Implementierung: Mit dem Behandlungspfad steht AllgemeinmedizinerInnen und anderen Gesundheitsberufen in der Primärversorgung ein praktisches und strukturiertes Hilfsmittel für eine leitliniengerechte Versorgung von Personen mit nicht-spezifischem Rückenschmerz zur Verfügung.


Literatur

1.
Mohokum M, Dördelmann J. Betriebliche Gesundheitsförderung: Ein Leitfaden für Physiotherapeuten. 1. Auflage. Springer; 2018. S. 57-73.
2.
Gobel H. Epidemiologie und Kosten chronischer Schmerzen. Spezifische und unspezifische Rückenschmerzen.[Epidemiology and costs of chronic pain syndromes exemplified by specific and unspecific low back pain]. Schmerz. 2001;15(2):92-98.
3.
Jaksch W, Likar R, Folkes E, Machold K, Herbst F, Pils K, et al. Qualitätssicherung der schmerzmedizinischen Versorgung in Österreich: Klassifikation schmerztherapeutischer Einrichtungen [Quality assurance of pain care in Austria: Classification of management facilities]. Wien Med Wochenschr. 2017; 167(15-16): 349-358.
4.
Brouwers MC, Kho ME, Browman GP, Burgers JS, Cluzeau F, Feder G, Fervers B, Graham ID, Grimshaw J, Hanna SE , Littlejohns P , Makarski J, Zitzelsberger L; AGREE Next Steps Consortium. Appraisal of Guidelines for Research & Evaluation II. AGREE II instrument. 2009. Verfügbar unter: https://www.agreetrust.org/wp-content/uploads/2017/12/AGREE-II-Users-Manual-and-23-item-Instrument-2009-Update-2017.pdf External link