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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Evaluation des Selektivvertrags careplus zur medizinisch-therapeutischen Versorgung von Pflegeheimbewohnern (Projekt ESC+)

Meeting Abstract

  • Mike Klora - aQua - Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Gesundheitsberichterstattung und Biometrie, Göttingen, Germany
  • Björn Broge - aQua – Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Geschäftsführung, Göttingen, Germany
  • Thomas Grobe - aQua – Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Gesundheitsberichterstattung und Biometrie, Göttingen, Germany
  • Christina Köster - aQua – Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Gesundheitsberichterstattung und Biometrie, Göttingen, Germany
  • Birte Reichenbach - aQua - Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Gesundheitssystemanalyse und Gesundheitsökonomie, Göttingen, Germany
  • Carina Stammann - aQua - Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Gesundheitssystemanalyse und Gesundheitsökonomie, Göttingen, Germany
  • Constance Stegbauer - aQua – Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Gesundheitssystemanalyse und Gesundheitsökonomie, Göttingen, Germany
  • Gerald Willms - aQua – Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Gesundheitssystemanalyse und Gesundheitsökonomie, Göttingen, Germany
  • Rebekka Woitzik - aQua – Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Gesundheitssystemanalyse und Gesundheitsökonomie, Göttingen, Germany
  • Julia Neuwirth - AOK Nordost, Gesundheitswissenschaftliches Institut Nordost (GeWINO), Berlin, Germany
  • Kristina Wäldchen - AOK Nordost - Die Gesundheitskasse, Pflege - Verträge/Qualitätsmanagement, Potsdam, Germany
  • Florian Arndt - ARBUMA Consulting GmbH, Geschäftsführung, Hamburg, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf178

doi: 10.3205/19dkvf178, urn:nbn:de:0183-19dkvf1787

Published: October 2, 2019

© 2019 Klora et al.
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Text

Hintergrund: Im Fokus dieses im Rahmen des Innovationsfonds geförderten Projekts (Förderkennzeichen: 01VSF17001) steht die Evaluation des Selektivvertrags careplus nach § 140a SGB V. Ziel des Vertrages ist es, als kooperative, medizinische Versorgungsform die Versorgungs- und Lebensqualität der in vollstationären Pflegeeinrichtungen lebenden Versicherten zu verbessern. Zur Zielerreichung erfolgen zusätzliche ambulant ärztliche Leistungen wie z.B. Regelvisiten sowie Rufbereitschaften. Des Weiteren erfolgen zusätzliche Leistungen auf Seite des Pflegheims wie u.a. Organisation der Regelvisiten und Abstimmung mit den Beteiligten.

Fragestellungen: Die Fragestellungen zur Evaluation des Vertrags werden anhand von vier Arbeitshypothesen operationalisiert:

  • careplus führt zu einer Verringerung der Zahl an Krankenhausbehandlungsfällen.
  • careplus führt zu einer Verbesserung der medizinischen Versorgung von Heimbewohnern.
  • careplus führt nicht zu einer Erhöhung der Kosten je Heimbewohner.
  • Die am Projekt beteiligten Personen (Bewohner, Ärzte, Pflegekräfte, Krankenkassen) sind zufrieden.

Methode: Datengrundlage für die Evaluation von careplus bilden Routinedaten der AOK Nordost, Literaturrecherchen, Interviews und ein Panel.

In Bezug auf Arbeitshypothese 1 (AP 1) wird ergebnisbezogen u.a. mit Hilfe des primären Outcomeparameters Krankenhauseinweisungen im Kontrollgruppenvergleich von Projektteilnehmern und Nichtteilnehmern anhand von anonymisierten Routinedaten der AOK Nordost evaluiert. Hierfür werden Risikofaktoren für Krankenhauseinweisungen auf Basis einer systematischen Literaturrecherche, Experteninterviews und explorativen GKV-Routinedatenanalysen identifiziert. Neben deskriptiven Beschreibungen werden die Einflüsse der Risikofaktoren auf die Krankenhauseinweisungen in Regressionsmodellen modelliert.

Im Arbeitspaket 2 wird die Wirksamkeit des Selektivvertrages hinsichtlich der medizinischen Versorgung untersucht. Hierzu werden Qualitätsindikatoren für die medizinische Versorgung von Pflegeheimbewohnern entwickelt. Die Operationalisierung der Qualitätsindikatoren erfolgt soweit möglich auf Basis von GKV-Routinedaten. Ein Panel mit Experten bewertet diese hinsichtlich ihrer Relevanz für die medizinische Versorgung in Pflegeeinrichtungen.

Das dritte Arbeitspaket beinhaltet gesundheitsökonomische Analysen. Ziel ist es Kosten von Inanspruchnahmen der GKV-Leistungen und ggf. zusätzlich anfallender Programmkosten in der Projektgruppe und der Vergleichsgruppe gegenüberzustellen.

Ziel des vierten Arbeitspaketes ist es die Erfahrungen mit dem Projekt aus Sicht der am Selektivvertrag beteiligten Personen in Form von explorativen, leitfadengestützten Interviews zu ermitteln. Dadurch werden wichtige Aspekte z.B. hinsichtlich der Kommunikation und Koordination sowie Lebensqualität erhoben.

Ergebnisse: Erste Zwischenergebnisse liegen für Arbeitspaket 1 und 2 vor (Stand: März 2019). Identifizierte Risikofaktoren für Krankenhauseinweisungen aus der Literaturrecherche sind Alter, Geschlecht, Zeit seit Einzug in das Heim/Aufnahme, Zeit vor Tod, Pflegegrad/-stufe, Aufnahme aus Krankenhaus sowie Stürze. Als vorläufiges Zwischenfazit zu Qualitätspotenzialen der medizinischen Versorgung (AP 2) ließen sich u.a. die Themenfelder Arzneimittelversorgung, Facharztversorgung sowie Kooperation und Kommunikation identifizieren, die Bestandteil eines übergeordneten Qualitätsmodells sind. Auf dem Kongress sollen in Bezug auf dieses Arbeitspaket zudem die vorläufigen Ergebnisse zu den Qualitätsindikatoren zur medizinischen Versorgung in Pflegeheimen vorgestellt werden.

Diskussion: Für eine detaillierte Diskussion sind weitere Projektergebnisse abzuwarten. Festgehalten werden kann jedoch, dass der Gesetzgeber mit § 119 b SGB V „Ambulante Behandlung in stationären Pflegeeinrichtungen“ Kooperationsverträge mit dafür geeigneten vertragsärztlichen Leistungserbringern nunmehr verbindlich vorschreibt und somit die enge Kooperation und Koordination von Pflegeinrichtungen mit medizinischen Leistungserbringern vorsieht. Der Gesetzgeber würdigt damit die Notwendigkeit einer kooperativen Zusammenarbeit zwischen Pflege und medizinischer Versorgung.

Praktische Implikationen: Neben den Ergebnissen der Evaluation steht am Projektlaufzeitende (Juni 2020) mit dem entwickelten Modell zur Risikoadjustierung von Krankenhausbehandlungsfällen und den Indikatoren zur Beurteilung medizinischer Versorgungsqualität erstmalig ein fundiert entwickeltes System zur Bewertung der medizinischen Versorgung in Pflegeeinrichtungen zur Verfügung. Dieses System basiert auf Routinedaten und ist damit auch auf vergleichbare Kontexte übertragbar. Darüber hinaus wird eine Vertragsweiterentwicklung von careplus geprüft.