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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Behandlungspfade von Palliativpatienten in Mecklenburg-Vorpommern – Hinweise für Versorgungslücken?

Meeting Abstract

  • Kilson Moon - Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald, Versorgungsepidemiologie und Community Health, Greifswald, Germany
  • Laura Rehner - Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald, Versorgungsepidemiologie und Community Health, Greifswald, Germany
  • Wolfgang Hoffmann - Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald, Versorgungsepidemiologie und Community Health, Greifswald, Germany
  • Neeltje van den Berg - Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald, Versorgungsepidemiologie und Community Health, Greifswald, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf167

doi: 10.3205/19dkvf167, urn:nbn:de:0183-19dkvf1672

Published: October 2, 2019

© 2019 Moon et al.
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Outline

Text

Hintergrund: Eine sektorübergreifende Zusammenarbeit der Leistungserbringer der Primärversorgung mit spezialisierten palliativmedizinischen Leistungserbringern ist essentiell für eine gute Versorgung von Palliativpatienten. Eine lückenlose sektorübergreifende pflegerische und medizinische Versorgung von Palliativpatienten, insbesondere eine anschließende ambulante Versorgung nach einem Krankenhausaufenthalt, stellt jedoch in einem Flächenland wie Mecklenburg-Vorpommern (M-V) mit seiner geringen Bevölkerungsdichte eine besondere Herausforderung dar.

Fragestellungen:

  • Welche Behandlungspfade in der Palliativversorgung können identifiziert werden?
  • Wie häufig erhalten Patienten nach einer stationären palliativmedizinischen Versorgung eine palliativmedizinische Anschlussversorgung, ambulant oder im Hospiz?

Methode: Datenbasis waren anonymisierte Abrechnungsdaten von BARMER-Versicherten, die in M-V versichert sind. Die Identifizierung der Versicherten als Palliativpatienten erfolgte anhand von palliativspezifischen ambulanten Gebührenordnungspositionen (GOP) und stationären Operations- und Prozedurenschlüsseln (OPS). Es wurden Versicherte in die Analyse eingeschlossen, die in 2015 oder 2016 erstmalig eine ambulante oder stationäre palliativmedizinische Behandlung erhalten haben. Der Behandlungsverlauf dieser Patienten wurde bis Ende 2017 verfolgt. Die Behandlungsabfolge wurde anhand des Abrechnungsdatums der GOP und OPS sowie Hospizaufenthalte ermittelt. Das Sterbedatum wurde anhand des Austrittgrundes „Verstorben“ aus der Versicherung erhoben.

Ergebnisse: Es wurden in 2015 und 2016 insgesamt 1.888 BARMER-Versicherte mit einer erstmaligen palliativmedizinischen Versorgung identifiziert, davon 53,5% Frauen. Das durchschnittliche Alter betrug 74,0 Jahre. Zum Stichtag (31.12.2017) waren 1.357 dieser Personen verstorben. Bei diesen Patienten lagen zwischen der ersten palliativmedizinischen Leistung und dem Todesdatum im Median 52 Tage (MW=125 Tage).

Insgesamt erhielten 1.247 (66%) Versicherte ausschließlich eine ambulante Palliativversorgung, davon bekamen 1.016 nur eine allgemeine ambulante Palliativversorgung (AAPV) und 231 Patienten nur eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV). 197 Patienten bekamen eine Palliativbehandlung ausschließlich im Krankenhaus, 45 im Hospiz.

527 Patienten erhielten eine palliativmedizinische Behandlung im Krankenhaus. Im Anschluss an den Krankenhausaufenthalt erhielten 51 (10%) dieser Patienten eine AAPV, 59 (11%) Patienten wurden von einem SAPV-Team betreut und 85 Patienten (16%) zogen in ein Hospiz. Bei 165 Patienten ist eine palliativmedizinische Anschlussversorgung bis zum Versterben in den Daten nicht rekonstruierbar.

Im Beobachtungszeitraum zogen in M-V insgesamt 199 BARMER-Versicherte in ein Hospiz ein. Vor dem Einzug erhielten 43 Patienten AAPV, 26 Patienten SAPV und 85 Patienten eine stationäre palliativmedizinische Behandlung. 45 Patienten zogen ohne rekonstruierbare vorherige palliativmedizinische Behandlung in ein Hospiz.

Diskussion: 17% der Einwohner in M-V sind bei der BAMRER versichert, diese sind nicht repräsentativ für gesetzlich Krankenversicherte in M-V. Die Daten enthalten keine SAPV-Abrechnungsdaten. Als Proxy für die SAPV wurden die GOPs zur Erst- und Folgeverordnung für die SAPV verwendet. Ob auch Patienten im Krankenhaus eine SAPV-Verordnung erhalten haben, ist nicht ersichtlich, eventuell besteht hier eine Unterschätzung der Anzahl der SAPV-Behandlungen.

Die identifizierten Patientenpfade zeigen, dass ein Großteil der Palliativversorgung ausschließlich ambulant oder ausschließlich stationär (nicht sektorübergreifend) durchgeführt wurde. Die Mehrheit der Palliativversorgung fand im ambulanten Sektor statt. 21% der Patienten erhielten eine sektorübergreifende palliativmedizinische Versorgung.

Der Anteil der Verstorbenen, die ausschließlich eine AAPV erhalten hatten (56%) ist deutlich niedriger als der Anteil der Verstorbenen mit SAPV (89%). Dies könnte darauf hindeuten, dass insbesondere Patienten mit schwereren Krankheitsbildern eine SAPV erhalten haben.

32% der stationären Palliativpatienten sind im Krankenhaus verstorben. 37% der Patienten erhielten im Anschluss entweder AAPV, SAPV oder zogen in ein Hospiz ein. 31% der Patienten erhielten nach dem Krankenhausaufenthalt keine weiteren palliativmedizinischen Leistungen. Eine mögliche Ursache für diese Diskontinuität könnten mangelnde Kapazitäten bei den SAPV-Teams oder der Hospize sein.

Praktische Implikationen: In M-V liegt die Anzahl der SAPV-Teams bezogen auf die Bevölkerung unterhalb der Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin e. V., die Einzugsbereiche der vorhandenen SAPV-Teams sind dementsprechend groß. Tatsächlich erhielt nur ein geringer Anteil der Patienten eine SAPV-Versorgung. Die Anzahl an Patienten, die im Krankenhaus verstorben sind, ist hoch, hier werden möglicherweise durch das Krankenhaus fehlende SAPV- oder Hospizplätze kompensiert.