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53. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

Erlangen, 12. - 14.09.2019

Gemeinsam eine lokale Antibiotika-Verordnungskultur schaffen – das Praxisbeispiel des Projektes AnTiB

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Johannes Hartmann - Gemeinschaftspraxis Dres. med. Hartmann und Thomzik, Bielefeld, Deutschland
  • Roland Tillmann - Kinder- und Jugendarztpraxis, Bielefeld, Deutschland
  • Bettina Leeuw - Hausärztliche Gemeinschaftspraxis Killich, Leeuw und Lippelt, Bielefeld, Deutschland
  • Reinhard Bornemann - Fakultät für Gesundheitswissenschaften, AG2 Bevölkerungsmedizin und Versorgungsforschung, Deutschland; Klinikum Bielefeld, Innere Klinik, Bielefeld, Deutschland

53. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Erlangen, 12.-14.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocSym6-03

doi: 10.3205/19degam232, urn:nbn:de:0183-19degam2329

Published: September 11, 2019

© 2019 Hartmann et al.
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Text

Hintergrund: In der ambulanten Medizin bestehen große regionale Unterschiede bei Antibiotika-(AB-)Verordnungen. Diese können nur zum Teil medizinisch erklärt werden. Das Verordnungsverhalten wird maßgeblich durch „lokale kulturelle unausgesprochene Regeln“ mitbeeinflusst. Eine rationale Therapie wird zusätzlich durch ein zwischen Fachrichtungen und Versorgungssektoren (Praxis, Klinik und Notfallversorgung) unterschiedliches Verschreibungsverhalten erschwert. Infektiologische Leitlinien werden nur unzureichend umgesetzt, nicht zuletzt, weil sie als zu ausführlich und praxisfern wahrgenommen werden.

Fragestellung: Wie können lokale AB-Verordnungskulturen geschaffen und in die ambulante Versorgung auf allen Versorgungsebenen implementiert werden?

Methoden: Häufige Infektionskrankheiten mit AB-Relevanz wurden identifiziert. In bestehenden lokalen Strukturen wie Ärztenetz, Qualitätszirkeln, Fortbildungsveranstaltungen, Hausärztetag u.a. erfolgte ein mehrstufiger strukturierter Diskussions- und Konsensprozess, an dem möglichst viele ambulant tätige Ärztinnen und Ärzte beteiligt wurden. Unter Heranziehung von Fachliteratur, Leitlinien und infektiologischer Expertise wurden praxisnahe Empfehlungen erstellt und formell verabschiedet. Der Prozess fand innerhalb einzelner Fachrichtungen sowie fach- und sektorenübergreifend statt.

Ergebnisse: Praktische Umsetzung und Akzeptanz: Seit Ende 2016 wurden kurzgefasste lokale Empfehlungen zur „Antibiotischen Therapie in Bielefeld“ in den Fachrichtungen Pädiatrie, Frauenheilkunde und Hausarztmedizin (Urologie und HNO in Vorbereitung) fach- und sektorübergreifend erarbeitet, konsentiert und in Praxen, Notfallpraxen und Kliniken implementiert. Daraus entwickelte sich das interdisziplinäre und sektorübergreifende regionale „ABS-Netzwerk Bielefeld – Ostwestfalen-Lippe“. In der Pädiatrie wurde das Grundkonzept bereits erfolgreich auch überregional transferiert.

Auswirkungen auf das Antibiotika-Verordnungsverhalten: Derzeit läuft eine umfassende Analyse der lokalen AB-Verordnungen der Jahre 2015-2018.

Gemeinsam mit der KVWL wurde ein Antibiotika-Verordnungsreport für Praxen erarbeitet.

Diskussion: Weiterhin hohe AB-Verordnungen im ambulanten Bereich belegen die Notwendigkeit, neben der Verbesserung der herkömmlichen Interventionen wie ärztliche Fortbildung und Bereitstellung von Fachinformationen, auch innovative Wege zu gehen. Der vorgestellte Ansatz, mittels Kommunikation, Koordination und Konsens infektiologisches Fachwissen anwendungsorientiert darzustellen und durch Verbindlichkeit auch sektorübergreifend die lokalen Verordnungskulturen zu verändern, zeigt einen vielversprechenden Weg auf.

Take Home Message für die Praxis: Eine rationale antibiotische Therapie in der ambulanten Medizin sollte einen lokalen Konsensprozess und die Verfügbarkeit kurzgefasster Therapieempfehlungen mit einbeziehen.