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63. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

02. - 06.09.2018, Osnabrück

Kontextsensitive Gefahrenerkennung im Alltag von Menschen mit Demenz basierend auf GPS-Daten mit Verfahren des Maschinellen Lernens

Meeting Abstract

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  • Tom Zentek - Zentrum für Telemedizin Bad Kissingen, Bad Kissingen, Deutschland
  • Manuel Gotin - FZI, Karlsruhe, Deutschland
  • Asarnusch Rashid - Zentrum für Telemedizin Bad Kissingen, Bad Kissingen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 63. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Osnabrück, 02.-06.09.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. DocAbstr. 210

doi: 10.3205/18gmds082, urn:nbn:de:0183-18gmds0822

Published: August 27, 2018

© 2018 Zentek et al.
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Einleitung: Aktuell leiden in Deutschland 1,5 Mio. Menschen an einer leichten bis schweren Demenz [1], [2]. Diese äußert sich durch kognitive Störungen wie fehlender Orientierung zur eigenen Person, zur sozialen Umwelt, zur Zeit und zur Räumlichkeit und in Gestalt von Verwirrung, Orientierungslosigkeit, Fehleinschätzung von Risiken oder unkontrolliertem Wanderverhalten [3], [4]. Zudem kann das Leben in Erinnerungen und die fortschreitende Orientierungslosigkeit zu einer extremen Unruhe führen, die sich in einem hohen Bewegungsdrang äußern kann. Diese Kombination von Orientierungslosigkeit und Bewegungsdrang führt zu einem Selbstgefährdungspotenzial. Beispielsweise wird der Weg zurück nicht mehr eigenständig gefunden oder Gefahren wie eine Autobahn werden nicht mehr als solche erkannt. Hieraus ergibt sich die Frage: Wie Gefahrensituationen und Abweichungen von der Alltagsroutine im sozialen Quartier automatisch erkannt werden können? Ein technischer Lösungsansatz sind kontextsensitive, selbstlernende Verfahren, welche individuelle Alltagsroutinen auf Basis von GPS Positionen erfassen, ein abweichendes Verhalten erkennen und entsprechend einer Notfallkette eskalieren.

Methoden: Basierend auf dem CRISP-DM von Chapman ([5], 3.1, 3.7) wurde die Lösung entwickelt. Die hierbei verwendete Featurekonstellation (Zeitstempel pro Zelle, Zeitstempel pro Zellenübergang, Geschwindigkeit, Wetter, Zellenvorgänge und -nachfolger) wird über ein Optimierungsverfahren bestimmt. In der Vorverarbeitung erfolgt weiterhin eine Glättung der GPS Daten vor der Einteilung zu einem mehrdimensionalen Grid mit dynamischer Größe, welches als Input für die naiven Bayes Klassifikatoren jeder einzelnen Zelle auf Basis historischer Alltagsroutinen dient.

Ergebnisse: Die Grundlage der Evaluation sind Daten von Microsoft Research Asia, die im Zuge des Projekts GeoLife [6] gesammelt wurden. Sie umfassen 182 Probanden, die zwischen April 2007 und August 2012 kontinuierlich drei Jahre Ihre GPS Position aufzeichneten sowie selbst erzeugte Simulationsdaten von vier Wochen. Diese Daten wurden jeweils in Trainings- (90%) und Testdaten (10%) aufgeteilt. Die Evaluation der Optimierung ergab, dass Wetter keinen nachweisbaren Effekt zeigte, die anderen Parameter aber eine Vorhersageverbesserung der Alltagsroutinen erreichen. Insgesamt konnten bekannte Alltagsroutinen nach 5 Tagen zu 98% des sozialen Quartiers abbilden. Die Erkennung der Alltagsroutinen im Quartier mit den Testdaten erreicht 95,8%.

Diskussion: Die vorhandenen Ergebnisse erlauben eine genaue Bestimmung des sozialen Quartiers der Menschen mit Demenz. Basierend auf der dynamischen Anpassung der Zellengröße und der zeitlichen Komponenten wandelt sich das soziale Quartier kontextspezifisch über die Zeit. Ausreißer finden sich bei wiederkehrenden Tätigkeiten, die nicht auf wöchentliche Routinen zurückgehen und nicht wiederkehrende Bewegungsabläufe, da diese nicht ausreichend gelernt werden konnten. Evtl. bedarf es hierzu eines zweiten Modells zur Erfassung. Trotzdem bietet das soziale Quartier für die Risikobewertung eine sehr gute Basis, da viele – auch nicht direkt erkannte Alltagsroutinen – sich im sozialen Quartier abspielen und sich in Teilstrecken mit bekannten Alltagsroutinen überschneiden.

Die genauen Parameter zur Deutung einer Gefahrensituation werden in einem folgenden Feldversuch mit 22 Menschen mit Demenz über 6 Monate weiter evaluiert. Hierbei wird auch der notwendige Einlernzeitraum bis sich das soziale Quartier stabilisiert hat genauer untersucht werden.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.


Literatur

1.
Prince M, Albanese E, Guerchet M, et al. Dementia and Risk Reduction. An Analysis of protective and modifiable factors. World Alzheimer Report. Alzheimer’s Disease International; 2014.
2.
Ferri C, Prince M, Brayne C, et al. 2005: Global Prevalence of Dementia: A Delphi Consensus Study. Lancet. 2005;366:2112–2117.
3.
Hewer W, Förstl H. Verwirrtheitszustände im höheren Lebensalter - eine aktuelle Literaturübersicht. Psychiatrische Praxis. 1994:131–138.
4.
Cossa FM, Sala SD, Spinnler H. Alzheimer patients know their date of birth but not their age: A study of disorientation. International Journal of Geriatric Psychiatry. 1995;10:99–106.
5.
Chapman P, Clinton J, Kerber R, Khabaza T, Reinartz T. Step-by-step data mining guide. CRISPDM 1.0. 2000.
6.
Microsoft Research Asia Project GeoLife. GPS trajectory dataset. Available from: https://www.microsoft.com/en-us/download/details.aspx?id=52367 External link