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63. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

02. - 06.09.2018, Osnabrück

Requirements Engineering für den Einsatz von eFallakten und eArztbriefen in der Versorgung von Patienten mit Demenz: hinter den Kulissen des Projekts I/E-Health NRW

Meeting Abstract

  • Thomas Zudrak - Digital Healthcare NRW e. V., Düsseldorf, Deutschland
  • Jakob Scholz - Digital Healthcare NRW e. V., Düsseldorf, Deutschland
  • Rainer Fehling - Digital Healthcare NRW e. V., Dortmund, Deutschland
  • Burkhard Fischer - Digital Healthcare NRW e. V., Düsseldorf, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 63. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Osnabrück, 02.-06.09.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. DocAbstr. 262

doi: 10.3205/18gmds080, urn:nbn:de:0183-18gmds0804

Published: August 27, 2018

© 2018 Zudrak et al.
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Text

Einleitung: Während digitale Kommunikation innerhalb der Sektoren kontinuierlich voranschreitet, fehlt es an nachhaltigen sektorübergreifenden Ansätzen. Das Projekt I/E-Health NRW zielt darauf, eine Basis für interprofessionale und -sektorale Kommunikation zu schaffen. Unter Einsatz bestehender Technologien wird diese u.a. im Versorgungsszenario „Demenz“ erprobt. Demenz ist mit einer Inzidenz von 40.000 Patienten und einem prognostizierten Zuwachs auf drei Millionen Erkrankte bis 2050 ein relevantes Erkrankungsbild für die sektorübergreifenden Versorgung [1]. Es wird über die erste Projektphase, das Requirements Engineering (RE) berichtet, das darauf zielt, eine Affinity Domain zu definieren und die Anforderungen für eines von vier Szenarien zu erheben.

Fragestellung: Es wird der Frage nachgegangen, welche Anforderungen sich für die Kommunikation und Koordination mit eFallakten und eArztbriefen innerhalb des Versorgungsszenarios „Demenz“ ergeben.

Material und Methoden: Die Voranalyse mittels Ermittlungstechnikermatrix (Sophisten) ergab, dass Befragungstechnik und artefaktbasierte Technik am besten geeignet sind, die Anforderungen für das Szenario abzuleiten [2], [3]. Zunächst wurde mit Anwendern der Versorgungsprozess demenzkranker Patienten (Story-Telling) skizziert. Mittels Anwenderbefragung wurden die Komplexität des medizinischen Versorgungsprozesses und Besonderheiten erfasst. Die Dokumenten- und Systemarchäologie lieferte Aussagen über die Primärsysteme und zum relevanten Dokumentenumfang.

Ergebnisse: Für die weitere Verwendung mussten organisatorisch-fachliche Anforderungen (Modellregion und Behandlungsprozess) von den technischen Anforderungen getrennt erfasst werden. Der erforderliche Funktionsumfang für das Backendsystem und die Schnittstellen einerseits und die den versorgungsspezifischen Anwendungen zugrundeliegenden Regelungen definieren die gemeinsame Infrastruktur für den Datenaustausch (Affinity Domain).

Die so getroffenen semantischen und inhaltlichen Vereinbarungen gewährleisten Interoperabilität. Die Dokumentensichtung zeigte, dass neben Entlassungsbrief auch Medikationsübersicht, ein Sicherheitsblatt für Allergien und Unverträglichkeiten und geriatrische Assessments zum Kern der Kommunikation zählen. Das Anlegen einer Fallakte ist mit definiertem Behandlungszweck, einer Lebensdauer (5 Jahre) und der Einwilligung des Patienten verbunden. Der anlegende Arzt kann Empfehlungen für Berechtigungen aussprechen, der Patienten bzw. sein Vertreter muss sie jedoch freigeben, initial oder später, auch mittels eines Offline-Tokens. Berechtigungen setzen Identitäten für zu berechtigende Leistungserbringer voraus. Beide Akteure haben die Option, die Akte vorzeitig zu invalidieren, der Patient durch Widerruf seiner Einwilligung und der Arzt aufgrund eines aufgehobenen Zweckes. Wegen differierender Patienten-IDs in den Primärsystemen ist ein Eintrag im Master Patient Index zu hinterlegen.

Alle hier aufgeführten technologischen Entwicklungen basieren auf internationalen Standards, insbesondere dem IHE-Profil XDS.b.

Mit Inkrafttreten der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung sind geänderte Sicherheits-/Datenschutzanforderungen zu berücksichtigen. Die Ausgestaltung von Authentifizierungs- und Autorisierungsprozess, Protokollierungskomponente für Aktentransaktionen sowie Risiko- und Folgeabschätzung [3] vor Verarbeitungsbeginn sind nur drei Beispiele.

Diskussion: Für die Einführung einer eHealth-Plattform zur sektorenübergreifenden Kommunikation muss die Realisierbarkeit genauso wie der Planungsaufwand für das Requirements Engineering berücksichtigt werden. Ziel muss sein, jedes Versorgungsszenario durch Anwendung standardisierter Lösungen später auf andere Regionen und Leistungserbringer übertragen zu können. Es zeigt sich auch, dass das Requirements Engineering als elementares Instrument über die Erfassung und Dokumentation von Anforderungen hinausgeht. So definiert es die Leitplanken zur Realisierbarkeit eines Projektvorhabens und stärkt zudem in der initialen Phase die Zusammenarbeit im Team. Lässt sich das Versorgungsszenario „Demenz“ mit der elektronischen Fallakte abbilden, kann der elektronische Arztbrief bei akuten Krankheitszuständen mit kurzer Versorgungsdauer, z.B. einer Appendizitis, die beiderseits benötigten Informationen zwischen behandelndem Krankenhaus und Niedergelassenen besser darstellen.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


Literatur

1.
Freter HJ. Die Zahl der Demenzkranken steigt jährlich um 40.000 - Deutsche Alzheimer Gesellschaft veröffentlicht neue Zahlen zur Häufigkeit von Demenzerkrankungen. 2014 [abgerufen am 01.02.2018]. Available from: https://www.deutsche-alzheimer.de/ueber-uns/aktuelles/artikelansicht/artikel/die-zahl-der-demenzkranken-steigt-jaehrlich-um-40000.html External link
2.
Die SOPHISTen. Requirements Engineering – die kleine RE-Fibel. 2015 [abgerufen am 08.02.2018]. Available from:http://sophist.de/fileadmin/SOPHIST/Publikationen/Broschueren/RE-Broschuere_2Auflage_19.03.2015.pdf External link
3.
SOPHISTen. Entscheidungsmatrix Ermittlungstechniken. 2009 [abgerufen am 31.01.2018]. Available from: https://www.sophist.de/infopool/downloads/offener-downloadbereich/?tx_mtdownloads_pi1%5Baction%5D=getviewclickeddownload&tx_mtdownloads_pi1%5Buid%5D=80&tx_mtdownloads_pi1%5Bcid%5D=27366&no_cache=1 External link
4.
Europäisches Parlament; Europäischer Rat. Verordnung (EU) 2016/679 vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung)