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63. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

02. - 06.09.2018, Osnabrück

Unentdeckte Beeinträchtigung der Nierenfunktion – ein Feld mit hoher Relevanz für die Public Health Community

Meeting Abstract

  • Susanne Stolpe - UK Essen, Zentrum für klinische Epidemiologie am Institut für med. Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Essen, Deutschland; Leibniz-Universität Hannover, Insitut für technische Chemie, Hannover, Deutschland
  • Eva Bock - UK Essen, Zentrum für klinische Epidemiologie am Institut für med. Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Essen, Deutschland
  • Christian Scholz - Uniklinik Köln / Klinik II für Innere Medizin, Köln, Deutschland
  • Andreas Stang - Universitätsklinikum Essen, Essen, Deutschland
  • Cornelia Blume - Leibniz Universität Hannover (LUH), Institut für Technische Chemie, Hannover, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 63. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Osnabrück, 02.-06.09.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. DocAbstr. 289

doi: 10.3205/18gmds056, urn:nbn:de:0183-18gmds0565

Published: August 27, 2018

© 2018 Stolpe et al.
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Text

Einleitung: Eine chronische Niereninsuffizienz (CKD) betrifft je nach Alter und untersuchter Population zwischen 2% und 25% der deutschen Bevölkerung [1]. Von einer mäßigen chronischen Niereninsuffizienz wird gesprochen, wenn die geschätzte glomerulare Filtrationsrate (eGFR) über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten weniger als 60 ml/min/1,73m² beträgt (=CKD-Stadium III nach KDIGO). Eine Beeinträchtigung der Nierenfunktion liegt jedoch bereits bei einer eGFR < 90ml/min/1,73² vor (Stadium II nach KDIGO). In der DEGS1 (Deutscher Gesundheitssurvey) lag die Prävalenz einer verminderten Nierenfunktion Grad III bei Erwachsenen von 18-74 Jahren bei 2,3% [2]. Eine Niereninsuffizienz ist in den frühen Stadien asymptomatisch und nicht heilbar. Es ist jedoch möglich, das Fortschreiten zu höheren Stadien zu verlangsamen oder zu verhindern. Im Stadium V, der terminalen Niereninsuffizienz, sind die Patienten auf Dialyse oder eine Nierentransplantation angewiesen. Dies ist nicht nur mit großen Einschränkungen in der Lebenserwartung und der Lebensqualität [3], sondern mit hohen Kosten für das Gesundheitswesen verbunden (etwa 50000€/Jahr) [4].

Methoden: Deskriptive Auswertung des gemeinsamen Datenpools (Kerndatenbank) der Stiftung Präventivmedizin des Kuratoriums für Dialyse und Nierentransplantation e. V. (KfH). In dieser sind die Daten von fünf bundesweiten Kohorten- und Registerstudien gespeichert, die seit 2006 mit unterschiedlichen Populationen durchgeführt werden und die die Entstehung und die Progression chronischer Niereninsuffizienz im Fokus haben [5], [6], [7].

Ergebnisse: Die Kerndatenbank enthält klinische Daten von 13.637 Patienten (davon 62,3% männlich). Bei 6.787 Personen war zu Studienbeginn eine Nierenerkrankung (50,4%) bekannt, 6.759 Personen gaben an, keine Nierenerkrankung zu haben. Von diesen Studienteilnehmern hatten jedoch bereits 3.445 (=51%) eine Nierenfunktion unterhalb des Normwertes (eGFR < 90ml/min/1,73², CKD-Stadium II), bei 1.315 (=19,5%) lag die eGFR bereits unter <60 ml/min/1,73² (=CKD-Stadium III-V).

Bei 50,8% der vorab unerkannt Nierenkranken lag bereits ein diagnostizierter Diabetes oder ein HbA1c > 6,5% vor, im Vergleich zu 43% bei den Patienten mit vorbekannter Niereninsuffizienz. Der Anteil der Hypertoniker lag mit 90,1% bei den Personen mit bekannter Niereninsuffizienz dagegen höher als bei den Patienten mit nicht bekannter Erkrankung (81,4%). Allerdings ist der Anteil von Hypertonikern unter den Patienten mit bereits deutlich eingeschränkter Nierenfunktion (<60ml/min/1,73²) ohne Kenntnis ihrer Erkrankung vergleichsweise höher als bei den Betroffenen, die von ihrer Nierenerkrankung wussten. Bezogen auf den Risikofaktor ‚Übergewicht‘ (BMI > 30 kg/m²]) betrug der Anteil der Adipösen bei Patienten mit bekannter Nierenerkrankung 43%. Bei den Studienteilnehmern ohne vorab diagnostizierter Nierenerkrankung lag er bei 39%.

Innerhalb der Gruppe von Patienten mit einer nicht bekannter leicht eingeschränkten Nierenfunktion (CKD-Stadium II) hatten nur 18% einen normalen Blutdruck (systolisch <120 und diastolisch <80), bei 11% lagen die Blutdruckwerte systolisch >140mmHg/diastolisch >90mmHg. Ein erhöhter Hba1c-Wert (>6,5%) wurde bei 41% dieser Personen gemessen.Betrachtet man das gleichzeitige Vorliegen von Diabetes und Bluthochdruck, so haben über 70% der in dieser Weise Betroffenen ohne bekannte Nierenerkrankung eine eingeschränkte eGFR (CKD-Stadium II).

Diskussion: Diese ersten Auswertungen zeigen, dass ein mögliches Screening von Personen mit bekannten Risikofaktoren wie Bluthochdruck und/oder Diabetes im Hinblick auf eine bestehende eingeschränkte Nierenfunktion ein hohes für die Public Health relevantes Potential bietet. Eine frühzeitige Behandlung dieser Risikofaktoren könnte die Progression der chronischen Niereninsuffizienz verlangsamen.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


Literatur

1.
Brück K, et al. CKD Prevalence Varies across the European General Population. J Am Soc Nephrol. 2016;27:2015.
2.
Girndt M, Trocchi P, Scheidt-Nave C, Markau S, Stang A. The Prevalence of Renal Failure. Results from the German Health Interview and Examination Survey for Adults, 2008-2011 (DEGS1). Dtsch Arztebl Int. 2016;113:85-91.
3.
Levin A, et al. Global kidney health 2017 and beyond: a roadmap for closing gaps in care, research and policy. Lancet. 2017;390:1888-917.
4.
Drösler, et al. Sondergutachten zu den Wirkungen des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs. Bonn: Bundesversicherungsamt; 2017 .
5.
Eckardt KU, et al. The German Chronic Kidney Disease (GCKD) study: design and methods. Nephrol Dial Transplant. 2012;27(4):1454-60.
6.
Dörhöfer L, et al. Study design of DIACORE (DIAbetes COhoRte) – a cohort study of patients with diabetes mellitus type 2. BMC Med Genet. 2013. DOI: 10.1186/1471-2350-14-25. External link
7.
Schaeffner ES, et al. The Berlin Initiative Study: the methodology of exploring kidney function in the elderly by combining a longitudinal and cross-sectional approach. Eur J Epidemiol. 2010;25(3):203-210.