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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Prävention und (Früh-) Erkennung sexuell übertragbarer Infektionen in der Hausarztpraxis

Meeting Abstract

  • Karen Voigt - Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden, Dresden, Germany
  • Henna Riemenschneider - Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden, Dresden, Germany
  • Jeannine Schübel - Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden, Dresden, Germany
  • Antje Bergmann - Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden, Dresden, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP118

doi: 10.3205/17dkvf352, urn:nbn:de:0183-17dkvf3524

Published: September 26, 2017

© 2017 Voigt et al.
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Text

Hintergrund: Sexuell übertragbare Infektionen (sexual transmitted infections, STI) sind ein globales Gesundheitsproblem und auch in Deutschland sind seit einigen Jahren deutlich steigende STI-Inzidenzen zu beobachten. Das Ausmaß des Nichtwissens um STI und deren Verbreitung ist in der deutschen Bevölkerung groß. Auf Versorgerseite besteht ebenso Optimierungsbedarf: Die wenigen vorliegenden empirischen Studien zu hausärztlichem Beratungsverhalten bei STI verweisen auf große Unsicherheiten, welche Patientengruppen aufgrund erhöhter Risiken verstärkt zu STI-Prävention/-Früherkennung beraten werden sollten und bei welchen Symptomen STI-Testung von therapierelevantem Nutzen wären [1], [2], [3], [4]. Hausärzte (als häufig erste Ansprechpartner) berichten Kommunikationsprobleme bzgl. Sexualitäts- und STI-Themen, die zur Vermeidung der STI-Patientenberatung in der Hausarztpraxis führen [3]. In Deutschland fehlen bislang valide Daten zu STI-Versorgungsabläufen.

Fragestellung: Wie schätzen Hausärzte ihre Kompetenz hinsichtlich Prävention, (Früh-) Erkennung und Beratung von STI ein? Welche STI-Tests werden in Hausarztpraxen durchgeführt?

Methode: Im Rahmen einer explorativen Pilotstudie erfolgte eine schriftliche Befragung bei hausärztlich tätigen Teilnehmern auf einem regionalen Jahreskongresses einer allgemeinmedizinischen Fachgesellschaft im Juni 2016. Der verwendete vierseitige Fragebogen fokussierte auf die Selbsteinschätzungen der STI-Beratungskompetenz, des STI-Beratungsverhaltens und des STI-Testungsverhaltens. Die Daten wurden mit SPSS 23.0 erfasst und mittels deskriptiver Analyseverfahren ausgewertet.

Ergebnisse: 47 (62 % Frauen) von insgesamt 63 hausärztlich tätigen Kongressteilnehmern beteiligten sich an der Befragung. Fast alle Befragten (98 %) bestätigten, Patienten präventiv zum Thema Sexualverhalten/STI zu beraten, wobei 43 % sich dafür als unzureichend ausgebildet einschätzten. 36 % gaben an, mehr als die Hälfte der Patienten mit STI-Diagnose oder -Verdacht an spezialfachärztliche Kollegen oder den Öffentlichen Gesundheitsdienst zu verweisen. In den letzten 12 Monaten führten 74 % der Hausärzte mind. einen HIV-Test, 64 % mind. einen Chlamydien-Test, 30 % mind. einen Gonorrhö-Test und 11 % mind. einen Syphilis-Test durch.

Diskussion: Gemessen an der Häufigkeit der Testungen war bei den Hausärzten für HIV eine höhere Sensibilität im Vergleich zu anderen STI zu beobachten, die wesentlich höhere Prävalenzen in der Bevölkerung aufweisen. Das STI-Testungsverhalten der Hausärzte muss im Kontext gegenwärtiger Versorgungsstrukturen (z.B. fehlende hausärztliche Abrechnungsmodalitäten für STI-Screenings oder für STI-Test bei Risikoverhalten und keinen berichteten Symptomen) betrachtet werden. Weiterhin verweisen die mit anderen Studien vergleichbaren Ergebnisse unserer Pilotstudie auf bestehende Kommunikationsprobleme (Angst, Scham) im Umgang mit Patienten mit STI oder STI-Verdacht.

Praktische Implikationen: Bei Hausärzten besteht Bedarf an speziellen Fortbildungen zum Thema Sexualverhalten/STI, die auf fachliche, aber auch kommunikative Beratungskompetenzen sowie auf patienten- und arztseitige Enttabuisierung und Entstigmatisierung fokussieren sollte. Hinsichtlich Versorgungsstrukturen sollten risikogruppenbezogene Testung- und Screeningmaßnahmen für häufige STI (z.B. Chlamydien) in den hausärztlichen Leistungskatalog aufgenommen werden.


Literatur

1.
Cedzich DA, Bosinski HA. Sexualmedizin in der hausärztlichen Praxis: Gewachsenes Problembewusstsein bei nach wie vor unzureichenden Kenntnissen. Sexuologie. 2010; 17: 135-47.
2.
Markham WA, Bullock AD, Matthews P, Firmstone VR, Kelly S, Field SJ. Sexual health care training needs of general practitioner trainers: a regional survey. The journal of family planning and reproductive health care / Faculty of Family Planning & Reproductive Health Care, Royal College of Obstetricians & Gynaecologists. 2005; 31: 213-8.
3.
Verhoeven V, Bovijn K, Helder A, Peremans L, Hermann I, Van Royen P, et al. Discussing STIs: doctors are from Mars, patients from Venus. Family practice. 2003; 20: 11-5.
4.
Matthews P, Fletcher J. Sexually transmitted infections in primary care: a need for education. The British journal of general practice : the journal of the Royal College of General Practitioners. 2001; 51: 52-6.