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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Erstattungspraxis der Ernährungsberatung in Deutschland

Meeting Abstract

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  • Sigrid Hahn - Hochschule Fulda, Fulda, Germany
  • Nicole Tieri - Hochschule Fulda, Fulda, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP116

doi: 10.3205/17dkvf350, urn:nbn:de:0183-17dkvf3501

Published: September 26, 2017

© 2017 Hahn et al.
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Hintergrund: Nach Schätzung des Bundesgesundheitsministeriums werden rund ein Drittel aller Kosten im Gesundheitswesen durch Krankheiten verursacht, die direkt oder indirekt durch die Ernährung beeinflusst werden [1]. Dazu zählen Adipositas, Diabetes mellitus II, Hypertonie, Fettstoffwechselstörungen, Allergien; einige Formen von Krebs sowie chronische Entzündungsprozesse werden durch bestimmte Nährstoffe beeinflusst. HIer ist die Ernährungsberatung (EB) ein wichtiger Baustein in der Prävention und der Therapie. Entsprechend sind EB und Ernährungstherapie (ET) in zahlreichen Leitlinien verankert. Bei einigen Erkrankungen, wie Zöliakie ist die ET die einzig mögliche Therapieform.

Im Bereich der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) ist die Kostenerstattung für EB im SGB V §20 (Primäre Prävention und Gesundheitsförderung) und für ET im SGB V §43 SGB V (Ergänzende Leistungen zur Rehabilitation) geregelt. Für die privaten Krankenversicherungen (PKV) gibt es bezüglich der EB und ET keine gesetzlichen Regeln. In der Praxis unterliegt die Kostenübernahme der individuellen Ausgestaltung der Verträge wodurch ein sehr uneinheitliches Bild entsteht.

Fragestellung: Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es einen Überblick der Kostenerstattung ausgewählter Krankenkassen und -versicherungen zu geben.

Methodik: Es wurden online Fragebögen zur Kostenerstattungspraxis von Beratungsleistungen erstellt und mittels EvaSys versandt. Der Fragebogen für die GKV umfasste 32 Fragen, der Fragebogen für die PKVs 23 Fragen. Im Allgemeinen Teil wurden Fragen zur Kostenübernahme und dem Vorhandensein von Ansprechpartnern, im zweiten Teil Fragen im Bereich der Prävention und im dritten Teil mit zu Leistungen für die ET gestellt.

Kriterien bei der Auswahl der GKV und PKV waren die Anzahl der Versicherten, der Marktanteil der Versicherungen sowie Erfahrungswerte aus der praktischen Arbeit von Ernährungsfachkräften. Von den insgesamt 123 in Deutschland existierenden GKV (Stand 2015, [2]) wurden 25 angeschrieben. Hiervon beteiligten sich 12 GKV (48 %) an der Befragung. Von den 49 existierenden PKV [3] erhielten 10 den Fragebogen. Davon antwortete eine inhaltlich, ohne den Fragebogen auszufüllen.

Ergebnisse: Aufgrund der relativ klaren gesetzlichen Vorgaben, ergab sich eine weitgehende Übereinstimmung zwischen den unterschiedlichen GKV hinsichtlich der Umsetzung im Bereich der Prävention. Die Erstattung im Rahmen der ET ist heterogen geregelt und von Einzelfallentscheidungen mit teilweise hohem bürokratischem Aufwand geprägt. Die Honorarhöhe unterscheidet sich zwischen den Kassen und ist bei einem Stundesatz zwischen 35,- und 53,- € insgesamt als unbefriedigend zu bewerten.

PKV sind nicht zur Prävention verpflichtet. Lediglich eine PKV nahm in einer E-Mail Stellung zur Problematik. Diese bezuschusst sowohl präventive EB als auch ET nach Einzelfallprüfung und verweist auf die Leistungen durch die Beihilfe. Für Leistungen, die von einem Arzt erbracht werden, besteht, unabhängig von seiner Qualifikation, ein tariflicher Leistungsanspruch.

Diskussion: Aufgrund der mangelnden Teilnahme der PKVs ist eine vergleichende Darstellung ihrer Leistungen mit denen der GKVs nicht möglich. Insgesamt sind die Angebote und die damit verbundenen Rahmenbedingungen primärpräventiver Maßnahmen für unbeteiligte Privatpersonen nahezu unüberschaubar. Das könnte dazu führen, dass sich viele Betroffene nicht über bestehende Möglichkeiten bewusst sind oder nicht ausreichend darüber informiert werden. Zudem ist davon auszugehen, dass die notwendige Bürokratie und die erforderlichen Vorausleistungen einige Betroffene abschreckt. In der Regel stehen keine festen Ansprechpartner für Fragen zur EB zur Verfügung. Hierdurch wird der Zugang zu ernährungstherapeutischen Leistungen erschwert – dies gilt nicht nur für die Patienten, sondern auch für die verschiedenen Berufsgruppen, welche die Leistung erbringen.

Praktische Implikationen: Für gesetzlich Versicherte besteht die Möglichkeit einer Leistungserstattung für die primärpräventive EB, die ET unterliegt Einzelfallentscheidungen. Bei privat Versicherten ist die Kostenübernahme nicht geregelt. Aus Sicht der Patienten wäre es wünschenswert, die Versorgung mit EB und ET einheitlich zu regeln. Es ist zu prüfen, wie Leistungen im Bereich der EB und -therapie im Leistungskatalog der GKV und PKV verankert werden können.


Literatur

1.
Bundesministerium für Bildung und Forschung. Ernährung. 2017. http://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/ernaehrung.php (30.04.2017) External link
2.
Gottfried M, Schild M. vdek-Basisdaten des Gesundheitswesens 2015 / 2016. Hrsg. v. Verband der Ersatzkassen e.V. Berlin; 2016. URL: https://www.vdek.com/presse/pressemitteilungen/2016/basisdaten-2016.html (02.03.2017) External link
3.
PKV. Zahlenbericht der Privaten Krankenversicherung 2013. 2014. URL: https://www.pkv.de/service/broschueren/daten-und-zahlen/zahlenbericht-2013/ (02.03.2017) External link