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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Allgemeine ambulante Palliativversorgung – Förderliche und hinderliche Faktoren in der hausärztlichen Praxis

Meeting Abstract

  • Helen Ewertowski - Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Germany
  • Fabian Tetzlaff - Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Germany
  • Saskia Jünger - Universität zu Köln, Köln, Germany
  • Nils Schneider - Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Germany
  • Stephanie Stiel - Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP245

doi: 10.3205/17dkvf166, urn:nbn:de:0183-17dkvf1661

Published: September 26, 2017

© 2017 Ewertowski et al.
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Text

Hintergrund: Nach einer Fokussierung zunächst auf die spezialisierte ambulante Versorgung wurde mit dem „Gesetz zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland“ (HPG) im Jahr 2015 die Bedeutung der Hausärzt/innen für die Versorgung in der letzten Lebensphase auch gesetzlich betont. Für die Förderung der allgemeinen Palliativversorgung in Deutschland wurden die Stärkung der Rolle von Hausärzt/innen und die Sicherstellung enger Kooperation mit spezialisierten Leistungserbringern als maßgebliche Prioritäten identifiziert. Allerdings bleibt bisweilen unklar, wie eine angemessene ambulante Versorgung am Lebensende durch Hausärzt/innen erbracht werden kann. Für die Entwicklung geeigneter Interventionen zur Optimierung allgemeiner ambulanter Palliativversorgung bedarf es weiterer wissenschaftlicher Fundierung.

Fragestellung: Das übergeordnete Ziel des Projektes ist es, die Rahmenbedingungen für eine allgemeine ambulante Palliativversorgung durch Hausärzt/innen zu verbessern. Spezifische Zielsetzung der aktuell ersten Projektphase ist die Exploration der Versorgung in der letzten Lebensphase durch Hausärzt/innen zur Beantwortung der folgenden Forschungsfrage: Welche Determinanten wirken auf die hausärztliche Palliativversorgung ein und wie können die identifizierten Einflussfaktoren die palliative Versorgung behindern oder fördern?

Methode: Um die Rahmenbedingungen und die Einbindung der hausärztlichen Palliativversorgung in die täglichen Abläufe in der Praxis zu verstehen, werden Methoden ethnographischer Forschung genutzt, d.h. es werden u.a. Hausärzt/innen begleitet, informelle Gespräche und leitfadengestützte Interviews mit Ärzt/innen sowie Praxispersonal geführt. Die Auswahl der Hausarztpraxen und Interviewpartner/innen erfolgt nach einem theoretischen Sampling. Von den Beobachtungen und informellen Gespräche werden (Feld-)Notizen am gleichen Tag, z.T. simultan, angefertigt, die im Nachhinein in Beobachtungsprotokolle überführt werden.

Aus einer vorhergehenden Längsschnittstudie wurden leitfadengestützte Interviews mit Hausärzt/innen zu je vier Zeitpunkten einer Sekundäranalyse zugänglich gemacht. Die Auswertung der Beobachtungsprotokolle und Interviews, aus denen im Folgenden Ergebnisse skizziert werden, erfolgt mittels Kodierverfahren nach Prinzipien der Grounded Theory.

(Vorläufige) Ergebnisse: Erste identifizierte förderliche und hinderliche Determinanten einer hausärztlichen Palliativversorgung können u.a. in folgenden Bereichen ausgemacht werden:

  • Kommunikation zwischen Schnittstellen (z.B. unleserliche Dokumentation)
  • finanzielle Anreize im Vergütungssystem (z.B. unzureichend Abrechnungsmöglichkeiten von Beratungsgesprächen zur Patientenverfügung)
  • zeitliche Restriktionen (z.B. fehlende Abrechnungsmöglichkeit der Palliativziffern, da regelmäßige Hausbesuche nicht gewährleistet werden können)
  • hausärztliches Rollenbild (z.B. Begleitung von Patient/innen bis zum Lebensende als Teil des beruflichen Selbstverständnisses)
  • motivationale Faktoren (z.B. Dankbarkeit und mentale Unterstützung von Angehörigen)
  • Vorstellungen über Patient/innen und Angehörige (z.B. die Auffassung, dass Patient/innen im häuslichen Umfeld sterben und dabei eine/n Ansprechpartner/in wünschen)

Diskussion: Vielfältige förderliche und hinderliche Determinanten wirken auf die hausärztliche Versorgung von Patient/innen in der letzten Lebensphase ein. Im Folgenden gilt es, weitere Einflussfaktoren zu identifizieren und ausgemachte Determinanten in übergeordnete Kategorien zu überführen, die einen wissenschaftlich fundierten Überblick über Versorgungsstrukturen und -prozesse in der palliativen Versorgung durch Hausärzt/innen geben. In der kommenden Projektphase soll mittels partizipativer Forschung ein maßgeschneidertes Interventionspaket entwickelt werden, das identifizierte Einflussfaktoren angemessen und langfristig beeinflussen soll. Welche Determinanten durch praxiserprobte Handlungsempfehlungen eine hausärztliche Palliativversorgung strategisch verbessern können, wird im weiteren Verlauf der Projektdurchführung erörtert.

Praktische Implikationen: Die Ergebnisse bilden die empirische Basis für das Verständnis der hausärztlichen Versorgung von Patienten am Lebensende und damit die Grundlage für deren systematische Weiterentwicklung auf versorgungspraktischer, politischer und finanzieller Ebene.