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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Auswirkungen von potenziell inadäquaten Medikamenten im Alter auf Leistungsinanspruchnahme und Kosten

Meeting Abstract

  • Dirk Heider - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany
  • Herbert Matschinger - Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf (UKE), Hamburg, Germany
  • Andreas Meid - Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Germany
  • Walter E. Haefeli - Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Germany
  • Hans-Helmut König - Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf (UKE), Hamburg, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV084

doi: 10.3205/17dkvf103, urn:nbn:de:0183-17dkvf1036

Published: September 26, 2017

© 2017 Heider et al.
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Text

Hintergrund: Potenziell inadäquate Medikamente (PIM) erhöhen die Auftretenswahrscheinlichkeit von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) bei älteren Patienten. Eine speziell für den deutschen Medikamentenmarkt angepasste Liste von 82 PIM wurde 2010 mit der PRISCUS-Liste veröffentlicht. In der vorliegenden Studie wurde analysiert, wie sich die Verschreibung von PIM auf Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen, Versorgungskosten und Auftreten von UAWs auswirkt.

Methode: In die kontrollierte retrospektive Kohortenstudie wurden Personen eingeschlossen, die zu Beginn des Jahres 2011 65 Jahre oder älter waren und während des gesamten Untersuchungszeitraums von 24 Monaten bei einer AOK in Deutschland versichert waren. Personen, die während des 12-monatigen Baseline-Zeitraums eine PIM aufwiesen und/oder kein Medikament bekamen, wurden ausgeschlossen. Personen der Exponierten-Gruppe (EG) mussten während des 12-monatigen Follow-up (FU) mindestens eine PIM aufweisen. Personen der Kontrollgruppe (KG) durften während des FU-Zeitraums keine PIM aufwiesen. Nach Anwendung der Ausschlusskriterien verblieben von den ursprünglich 6,2 Mio. AOK-Versicherten noch 4,5 Mio. im Datensatz, von denen 4 Mio. der KG und 0,5 Millionen der EG zugeordnet wurden. Zur Erhöhung der Vergleichbarkeit erfolgte ein Matching der beiden Studiengruppen anhand der Baseline-Daten durch die Methode des Entropy-Balancing.

Ergebnisse: Durch das Entropy Balancing konnte für sämtliche verwendete Matchingvariablen eine perfekte Balancierung beider Studiengruppen erreicht werden. Im Vergleich zur KG wiesen Personen der EG im FU-Zeitraum im Durchschnitt zusätzlich 2,9 ATC-Wirkstoffe, 143 Arzneimittel-Tagesdosen (DDDs), 4,5 stationäre Tage und 0,7 Rehatage auf. Die gesamten Versorgungskosten lagen in der EG um 2321 € höher als in der KG. Der Großteil dieser Differenz resultierte aus Unterschieden im stationären Sektor (+1718 €). Die weiteren Unterschiede zwischen den Studiengruppen betrugen 319 € bei den Medikamentenkosten sowie 163 € für die ambulante Versorgung, 92 € für Reha und 28 € für Heilmittel. Im ambulanten Sektor trat während des FU-Zeitraums bei 40,9% der Personen der EG eine UAW auf, während dies in der KG bei nur 34,3% der Fall war. Im stationären Sektor und im Reha-Sektor war das Risikoverhältnis noch ausgeprägter. Alle Ergebnisse waren statistisch signifikant (p<0,001)

Zusammenfassung: Erhöhte Leistungsinanspruchnahme, Versorgungskosten sowie Auftretenswahrscheinlichkeit von UAWs bei Personen mit PIMs sind ein deutliches Zeichen für die gesundheitsökonomische Relevanz der PRISCUS-Liste. Aus der Einhaltung der PRISCUS-Liste ergeben sich große Potenziale zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung. Eine Überprüfung der gesundheitlichen Effekte wäre wünschenswert, ist aber mit Routinedaten allein nicht realisierbar.