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35. Jahrestagung der Deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft für Verbrennungsbehandlung (DAV 2017)

11.01. - 14.01.2017, Chur, Schweiz

Behandlungspflicht bei Selbstverbrennung

Meeting Abstract

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  • J. Scheidemantel - Ethiknetz Mainfranken, Würzburg, Germany

Deutschsprachige Arbeitsgemeinschaft für Verbrennungsbehandlung. 35. Jahrestagung der Deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft für Verbrennungsbehandlung (DAV 2017). Chur, Schweiz, 11.-14.01.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. Doc17dav1.6

doi: 10.3205/17dav06, urn:nbn:de:0183-17dav061

Published: January 18, 2017

© 2017 Scheidemantel.
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Beim unvollendeten Suizid durch Selbstverbrennung stellt sich mitunter die Frage nach einer Therapiebegrenzung beim bewusstlosen Opfer mit dem Argument, die Tat und ein möglicher Abschiedsbrief könnten Ausdruck einer selbstbestimmten Entscheidung sein. Im Vortrag werden die Selbstverbrennung als Suizidmethode aus ethischer Sicht beleuchtet und Folgerungen für die weiteren Therapieentscheidungen gezogen. Es wird die These vertreten, dass Selbstverbrennung unter der primären Handlungsintention der Selbsttötung nicht autonom auftritt. Für eine autonome Selbsttötung kommen Mittel in Betracht, die schmerzfrei und sicher zum Erfolg führen. Dagegen ist die Selbstverbrennung hochschmerzhaft und unsicher. Kennzeichen der Methode sind die massive Auto-Aggression, der Fanal-Charakter und die Verzweiflung. In Betracht kommende Intentionen sind das politische Fanal, Bestrafung von Bezugspersonen, Selbst-Bestrafung bzw. Buß-Akt. Daneben stehen verschiedene komplexe Psychopathologien. Ein Merkmal des freien Willens ist gerade nicht die Willkür einer Handlungsentscheidung, sondern die Konsistenz mit dem Lebensplan. Auch aus Rücksicht auf die Bezugspersonen wird eine autonome Selbsttötung mit Mitteln durchgeführt, die keine maximale Traumatisierung der Überlebenden verursachen. Soweit ein Abschiedsbrief gefunden wird, auch im Sinne einer Verfügung, ist nach deutschem Recht zu beachten, dass die Gültigkeit einer Patientenverfügung (§1901a BGB) eine zeitliche Distanz fordert, die beim Abschiedsbrief nicht gegeben ist; eine ältere Patientenverfügung müsste die Umstände ihrer Anwendbarkeit präzisieren. Beides trifft für die Selbstverbrennung i. d. R. nicht zu. Daraus folgt, dass für die weitere Behandlung eines bewusstlosen Selbstverbrennungsopfers der Abschiedsbrief und die Tat selbst nicht als autonomer Willensausdruck in die Entscheidungen zwischen Arzt und Betreuer einbezogen werden dürfen.