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Kurvenmorphologische und physiologische Korrelate des On- und Offsets der schluckassoziierten Signale in der Oberflächenelektromyographie
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Published: | September 8, 2016 |
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Zusammenfassung
Hintergrund: Die Anwendung der Oberflächenelektromyographie (sEMG) zur Erfassung schluckassoziierter Muskelaktivitäten ist ein seit Jahren etabliertes Verfahren. Es ist bekannt, dass Kraft und Dauer der muskulären Schluckaktivität durch Konsistenzen und Volumina beeinflussbar und mittels sEMG darstellbar sind. Ziel der hier präsentierten Studie war es zu untersuchen, ob Zusammenhänge zwischen Konsistenzen, Volumina, physiologischen Abläufen, kurvenmorphologischen Parametern und dem jeweiligen Beginn und Ende der Schluckaktivität bestehen.
Material und Methoden: Kurvenmorphologische Parameter Onset, Offset, Amplitude, Latenz, Integral, Schwerpunkt, Anstiegs- und Abstiegsflanke der schluckassoziierten sEMG-Signale von 20 gesunden erwachsenen Probanden wurden beim Schlucken von 5 Konsistenzen (Leerschluck, Wasser, Apfelmus, Kartoffelbrei, Brot) und 4 Volumina (0 = Leerschluck, 5, 10, 20 ml/gr) aufgezeichnet, insg. 50 Schlucke pro Person. sEMG-Signale wurden an 16 Kanälen am Hals und Gesicht aufgenommen.
Ergebnisse: Früheste Onsetwerte lieferten Kanäle im Orbicularis oris und Mundboden-Bereich, gefolgt von Masseter und Hals. Im Gegensatz zum Offset, korrelierte Onset kaum mit anderen kurvenmorphologischen Parametern, am höchsten mit der Amplitude des Schlucksignals. Hohe Integralwerte waren mit frühem Onset und spätem Offset assoziiert. Kohäsivere Konsistenzen resultierten in höheren Integralwerten und hiermit späterem Offset, aber standen in keinem Zusammenhang mit Onset. Die Onsetwerte wurden laut linearer Regression durch Konsistenzen, Elektrodenlage (rechts, links, zentral), Geschlecht und Kanalnummer bedingt, Offsetwerte durch dieselben außer Geschlecht, sowie durch Region und interpersonelle Unterschiede.
Diskussion: Die frühen Onset-Werte der sEMG-Signale an Orbicularis oris und Mundboden entsprechen den bekannten physiologischen Schluckabläufen, ebenso die Signale der paralaryngealen Ableitungspositionen. Auch der Zusammenhang zwischen frühem Onset und spätem Offset in Abhängigkeit zu Konsistenz stimmen mit Ergebnissen vorheriger Studien überein.
Fazit: Bei gesunden Probanden lassen sich die Zusammenhänge zwischen Konsistenzen und den bekannten schluckphysiologischen Abläufen mittels sEMG-Ableitungen bestätigen.
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Hintergrund
Die Anwendung der Oberflächenelektromyographie (sEMG) zur Erfassung schluckassoziierter Muskelaktivitäten ist ein seit Jahren etabliertes Verfahren. Es ist bekannt, dass Kraft und Dauer der muskulären Schluckaktivität durch Konsistenzen und Volumina beeinflussbar und mittels sEMG darstellbar sind [1], [2]. Ziel der hier präsentierten Studie war es zu untersuchen, ob Zusammenhänge zwischen Konsistenzen, Volumina, physiologischen Abläufen, kurvenmorphologischen Parametern und dem jeweiligen Beginn und Ende der Schluckaktivität bestehen.
Material und Methoden
Kurvenmorphologische Parameter Onset (On), Offset (Off), Amplitude (Am), Latenz (La), Integral (In), Schwerpunkt (Sch), Anstiegs- (An) und Abstiegsflanke (Ab) der schluckassoziierten sEMG-Signale von 20 gesunden erwachsenen Probanden wurden beim Schlucken von 5 Konsistenzen (Leerschluck, Wasser, Apfelmus, Kartoffelbrei, Brot) und 4 Volumina (0 = Leerschluck, 5, 10, 20 ml/gr) aufgezeichnet, insg. 50 Schlucke pro Person. sEMG-Signale wurden an 16 Kanälen am Hals und Gesicht aufgenommen. Mit dem Kruskal-Wallis H-Test wurde geprüft, welche Muskelgruppen am frühesten schluckassoziierte sEMG-Signale registrieren. Assoziationen zwischen kurvenmorphologischen Parametern und Konsistenzen sowie Volumina wurden anhand von Spearman-Korrelationen untersucht. Mit linearen Regressionen wurde geprüft, welche Faktoren mit On- und Offsetwerten zusammenhängen.
Ergebnisse
Früheste Onset-Werte lieferten Kanäle im Bereich des M. Orbicularis oris (Mittelwert/M=1,18 Sek) sowie des Mundbodens (M=1,18), gefolgt von Hals (M=1,31) und Masseter (M=1,32): χ2(3)=170,89, p<0,001.
Korrelationen zwischen Onset und Offset einerseits und anderen kurvenmorphologischen Parametern andererseits sind Tabelle 1 [Tab. 1] zu entnehmen.
Korrelationen zwischen Konsistenzen und Volumina einerseits und kurvenmorphologischen Parametern andererseits sind Tabelle 2 [Tab. 2] zu entnehmen.
Sowohl für Onset als auch für Offset als abhängige Variablen wurden lineare Regressionen mit denselben Faktoren gerechnet (Berechnungsmethode: Enter). In Tabelle 3 [Tab. 3] sind entsprechende Beta-Koeffizienten angegeben.
Diskussion
Die frühen Onset-Werte der sEMG-Signale an Orbicularis oris und Mundboden entsprechen den bekannten physiologischen Schluckabläufen, ebenso die Signale der paralaryngealen Ableitungspositionen [3], [4]. Im Gegensatz zum Offset, korrelierte Onset kaum mit anderen kurvenmorphologischen Parametern, am höchsten mit der Amplitude des Schlucksignals. Zwischen On- und Offsetwerten bestand dabei keine Korrelation. Hohe Integralwerte waren mit frühem Onset und spätem Offset assoziiert. Kohäsivere Konsistenzen resultierten in höheren Integralwerten und hiermit späterem Offset, aber standen in einem sehr schwachen Zusammenhang mit Onset (Korrelationen unter 0,1 gelten laut Cohen (1988) [5] als vernachlässigbar). Sowohl On- als auch Offset waren kaum mit Volumina assoziiert, ob man den Leerschluck (der vermutlich nicht immer genau 0 ml/gr entsprach) mitberücksichtigt oder nicht. Dabei lässt sich beim Offset eine schwache Tendenz zum späteren Ende des Schlucksignals bei steigenden Volumina erkennen. Die Onsetwerte wurden laut linearer Regression durch Konsistenzen, Elektrodenlage, Geschlecht und Kanalnummer bedingt, Offsetwerte durch dieselben außer Geschlecht, sowie durch Region und interpersonelle Unterschiede. Der niedrige Prozentsatz der erklärten Varianz in der Regression im Fall des Onsets weist darauf hin, dass die wichtigsten Faktoren, die den Onset beeinflussen, noch nicht identifiziert wurden.
Fazit
Bei gesunden Probanden lassen sich Zusammenhänge zwischen dem jeweiligen Beginn bzw. Ende des Schlucksignals und Konsistenzen sowie den bekannten schluckphysiologischen Abläufen bestätigen. Zusammenhänge mit Volumina erwiesen sich als sehr schwach bis vernachlässigbar.
Literatur
- 1.
- Dantas RO, Dodds WJ. Effect of bolus volume and consistency on swallow-induced submental and infrahyoid electromyographic activity. Braz J Med Biol Res. 1990;23(1):37-44.
- 2.
- Reimers-Neils L, Logemann J, Larson C. Viscosity effects on EMG activity in normal swallow. Dysphagia. 1994;9(2):101-6.
- 3.
- Crary MA. A direct intervention program for chronic neurogenic dysphagia secondary to brainstem stroke. Dysphagia. 1995;10(1):6-18.
- 4.
- Vaiman M, Eviatar E, Segal S. Evaluation of normal deglutition with the help of rectified surface electromyography records. Dysphagia. 2004;19(2):125-32.
- 5.
- Cohen J. Statistical Power Analysis for the Behavioral Sciences. 2nd ed. Hills-dale: Erlbaum; 1988.