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GMDS 2015: 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

06.09. - 09.09.2015, Krefeld

Die Funktionsfähigkeit von EU-Portal und EU-Datenbank als Voraussetzung für die Umsetzung der Verordnung (EU) 536/2014 über Klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln

Meeting Abstract

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  • Janna Schweim - Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie; Universitätsklinikum Essen, Essen, Deutschland
  • Claudia Ose - Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie; Universitätsklinikum Essen, Essen, Deutschland

GMDS 2015. 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Krefeld, 06.-09.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocAbstr. 227

doi: 10.3205/15gmds198, urn:nbn:de:0183-15gmds1982

Published: August 27, 2015

© 2015 Schweim et al.
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Einleitung: Die Europäische Verordnung über klinische Prüfungen mit Arzneimitteln (Clinical Trials Regulation) [1] ist am 16. Juni 2014 in Kraft getreten und soll die bisher geltende Richtlinie über klinische Prüfungen (Clinical Trials Directive) 2001/20/EC ersetzen. In Kapitel XIV. der Verordnung wird die zukünftig zu nutzende IT-Struktur – bestehend aus EU-Portal und EU-Datenbank – beschrieben, von deren Funktionsfähigkeit die Umsetzung der gesamten Verordnung abhängig ist und frühestens zum 26. Mai 2016 möglich sein wird. Diese neue Struktur verfolgt verschiedene Ziele: Das EU-Portal einerseits soll auf europäischer Ebene als zentrale Anlaufstelle für die Übermittlung von Daten und Informationen im Zusammenhang mit klinischen Prüfungen dienen, z.B. für die rein elektronische Einreichung von Antragsunterlagen für die Genehmigung einer klinischen Prüfung und die Kommunikation von Antragstellern mit Behörden und Ethikkommissionen in den europäischen Mitgliedsstaaten. Auf der anderen Seite sollen diese Daten in der von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) zu verwaltenden EU-Datenbank zentral gespeichert und ein Großteil dieser Informationen bei der Recherche nach klinischen Prüfungen öffentlich zugänglich sein. Neben den technischen Funktionen des Portals hinsichtlich der Nutzerregistrierung, Rechtevergabe und Datenübermittlung, ist insbesondere das mit der Datenbank verfolgte Ziel nach Datentransparenz von hoher Relevanz. Die Abwägung zwischen zu veröffentlichenden und vertraulich zu haltenden Daten, z.B. personenbezogenen Patientendaten und kommerziellen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen von pharmazeutischen Unternehmen, stellt mit Blick auf die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten eine große Herausforderung dar. Die Umstellung des bis dahin geltenden Systems (EudraCT Datenbank, EU Clinical Trials Register(EU CTR)) und die Vernetzung mit bereits existierenden europäischen Datenbanken sind weitere Hürden für die Betreiber und Nutzer der EU-Datenbank.

Material und Methoden: Im Zuge des Umsetzungsprozesses der EU-Verordnung wird der (Fach-)Öffentlichkeit die Möglichkeit gegeben zu Konsultationspapieren zu den funktionellen Spezifikationen von EU-Portal und EU-Datenbank [2] sowie zur Datentransparenz [3] Stellung zu nehmen. Daneben befassen sich verschiedene Arbeitsgruppen der European Medicines Agency (EMA) unter Beteiligung von Experten aus Forschung, Behörden und pharmazeutischer Industrie mit detaillierten Aspekten der praktischen und technischen Umsetzung, z.B. Dossier-Erstellung und -Übermittlung für klinische Prüfungen, Datensammlung und -übertragung, Registrierungsprozess und Nutzerverwaltung sowie Sicherheitsberichterstattung. Sowohl die Erträge der Konsultationsverfahren als auch die Vorschläge der Arbeitsgruppen geben den jeweiligen Stand der geplanten IT-Struktur mit den erarbeiteten Lösungen und noch zu klärenden Fragen wider.

Ergebnisse: Grundsätzlich sollen alle über das EU-Portal übermittelte Daten und Dokumente öffentlich sein, es sind jedoch verschiedene Ausnahmen vorgesehen. Für den Umgang mit persönlichen Daten von beteiligten Personen erfolgt eine Einteilung in verschiedene Kategorien: Da keinerlei Daten von Teilnehmern an klinischen Prüfungen öffentlich gemacht werden sollen, müssen alle Dokumente, die individuelle Patientendaten enthalten (Anhänge zum Abschlussbericht, jährliche Sicherheitsberichte etc.) entweder entsprechend bereinigt oder von der Veröffentlichung ausgenommen werden. Weitere Kategorien von beteiligten Personen sind die Prüfärzte und ihre Mitarbeiter, Experten aus Behörden und Ethikkommissionen der Mitgliedsstaaten, Sponsoren sowie Mitarbeiter des Zulassungsinhabers, bei denen eine Veröffentlichung von Namen, Kontaktdaten sowie Angaben zur fachlichen Qualifikation vorgesehen ist. Sponsoren haben insbesondere ein Interesse an der Feststellung, welche Informationen aus klinischen Prüfungen als wirtschaftlich vertraulich gelten und somit nicht oder nur eingeschränkt öffentlich zugänglich gemacht werden. Kommerzielle Sponsoren (wie pharmazeutische Unternehmen) wollen die Ergebnisse klinischer Prüfungen vor konkurrierenden Mitbewerbern schützen und zur Beantragung von Zulassungen für die jeweiligen Prüfpräparate nutzen , während nicht-kommerzielle bzw. akademische Sponsoren im Zusammenhang mit Grundlagen- oder fortgeschrittener Forschung auf Fördergelder angewiesen sind. Diesen schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen kann jedoch in bestimmten Fällen ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung solcher Informationen gegenüber stehen. Die Informationen, welche in der EU-Datenbank hinterlegt werden sollen, lassen sich zwar in zwei Kategorien einteilen – studienspezifische Dokumente (z.B. Studienprotokoll, Informationen für Studienteilnehmer) und produktspezifische Dokumente (z.B. Investigator’s Brochure (IB), Investigational Medicinal Product Dosier (IMPD) – die jedoch gleichermaßen vertrauliche Informationen enthalten können. Aus diesem Grund steht es zur Diskussion, ob bestimmte studienspezifische oder produktspezifische Informationen erst nach Ablauf einer gewissen Zeitspanne öffentlich zugänglich gemacht werden, abhängig davon, ob es sich um Arzneimittel handelt, die bereits zugelassen sind oder nicht und um welche Phase der klinischen Prüfung es sich handelt. Die funktionellen Spezifikationen des EU-Portals und der EU-Datenbank dienen, neben der Schaffung der technischen Voraussetzungen für den Informationsaustausch zwischen Antragstellern und den am Genehmigungsverfahren beteiligten Behörden sowie Ethikkommissionen in den Mitgliedsstaaten, dazu, dass durch die Vergabe von Nutzerrechten und automatisierte Freigabeprozesse der Schutz bestimmter personenbezogener und wirtschaftlich vertraulicher Informationen gewahrt wird.

Diskussion: Die EU Clinical Trials Regulation verfolgt, wie auch schon die vorangegangene Clinical Trials Directive, das Ziel der Vereinheitlichung des Genehmigungsverfahrens für klinische Prüfungen in der Europäischen Union. Dennoch sieht auch dieses Gesetz gewisse Ausnahmen sowie die Berücksichtigung nationaler Besonderheiten vor. Im Spannungsfeld zwischen dem Grundsatz größtmöglicher Transparenz und den Geheimhaltungsinteressen der beteiligten Kreise, stellt dies besonders hohe Anforderungen an die technische Umsetzung des Einreichungsportals und der Datenbank. Damit das neue zentrale Einreichungsportal seine Aufgabe zuverlässig erfüllt und sich zügig etabliert, stellt die Benutzerfreundlichkeit eine große Priorität dar. Dieses Erfordernis muss jedoch zugleich mit der hohen Komplexität aufgrund verschiedener Nutzerkreise (Sponsor, Zulassungsinhaber, Mitgliedsstaaten, Europäische Kommission, EMA) und Funktionen in Einklang gebracht werden. Die Programmierung sollte es ermöglichen, dass bereits bei Eingabe und Übermittlung von Informationen nach einem automatisierten Schlüssel, ergänzt durch individuelle Kontrollen, über die Freigabe und den Freigabezeitpunkt in der öffentlichen Datenbank entschieden wird. Da die Datenbank in ein bereits existierendes Netzwerk anderer europäischer Datenbanken (z.B. EudraVigilance) integriert werden muss, wäre es notwendig bereits im frühen Entwicklungsstadium sicherzustellen, dass ein Datenaustausch zwischen diesen möglich ist, um Doppeleingaben zu vermeiden. Auch wenn die Datenbanken EudraCT und EU CTR durch die neue EU-Datenbank funktionslos werden, sollten die dort registrierten klinischen Prüfungen, insbesondere Langzeitstudien, zur lückenlosen Dokumentation in das neue System überführt werden.


Literatur

1.
VERORDNUNG (EU) Nr. 536/2014 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 16. April 2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/20/EG.
2.
Functional specifications for the EU portal and EU database to be audited, EMA/42176/2014, Compliance and Inspections, 19 December 2014.
3.
Draft proposal for an addendum, on transparency, to the “Functional specifications for the EU portal and EU database to be audited - EMA/42176/2014”, EMA/641479/2014, Compliance and Inspections, 20 January 2015.