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GMDS 2015: 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

06.09. - 09.09.2015, Krefeld

Konzeption einer Gewerkeübergreifenden Infrastruktur zur Gebäudeautomatisierung – Ein Blick auf das BASIS Projekt aus der AAL-Perspektive

Meeting Abstract

  • Jonas Schwartze - Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatikder Technischen Universität Braunschweigund der Medizinischen Hochschule Hannover, Braunschweig, Deutschland
  • Lars Jansen - Technische Universität Braunschweig, Institut für Datentechnik und Kommunikationsnetze, Deutschland
  • Harald Schrom - Technische Universität Braunschweig, Institut für Datentechnik und Kommunikationsnetze, Deutschland
  • Michael Marschollek - Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatikder Technischen Universität Braunschweigund der Medizinischen Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland

GMDS 2015. 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Krefeld, 06.-09.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocAbstr. 259

doi: 10.3205/15gmds005, urn:nbn:de:0183-15gmds0058

Published: August 27, 2015

© 2015 Schwartze et al.
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Text

Einleitung: Im Kontext sich entwickelnder medizinischer Versorgungsprozesse spielt die Wohnung als neuartiger Gesundheitsstandort eine zunehmende Rolle. Die Entwicklungen im Bereich des Ambient Assisted Living (AAL) streben langfristig hin zu einer integrierten und gleichsam multimodalen Erfassung, Auswertung und Intervention. Dies gilt vor allem im Kontext der zunehmenden Zahl von Akteuren im häuslichen Umfeld. So benötigen – neben AAL – auch weitere Domänen Sensorik und Aktorik in Wohnungen und Gebäuden. Hierzu zählen Gewerke, wie das Energiemanagement, das technische Gebäudemanagement, die Heizungs- und Klimasteuerung, SmartHome-Komponenten und weitere. Die Erfahrung aus bisherigen Projekten hat jedoch gezeigt, dass eine Fusion breit aufgestellter Sensorik im häuslichen Umfeld erhebliche Potentiale für die Erkennung, Diagnose und Behandlung psychischer und physischer Erkrankungen birgt (vgl. z.B. [1], [2]). Bisherige Forschungsarbeiten in diesem Umfeld bilden zwar eine solide Grundlage einzeln verfügbarer Technologien, tragen den kombinierten Anforderungen jedoch nur begrenzt Rechnung, da sie sich dedizierte Technologien einer einzigen Domäne wie AAL oder SmartHome beziehen. Auch Middleware-Plattformen mit integriertem Ansatz fokussieren entweder die medizinische Unterstützung oder ermöglichen Smart Home Anwendungen mit dem Fokus auf ältere Menschen (vgl. z.B. [3], [4]). Ähnliche Bestrebungen existieren im Energiemanagement, im technischen Gebäudemanagement oder in der Gebäudesicherheit. Im Kern steht die Anforderung nach einer effizienten multimodalen sensorischen Absicherung für den jeweiligen domänenspezifischen Aufgabenbereich bei gleichzeitiger Reduktion der aufgewendeten Ressourcen.

Zielsetzung: Der nächste logische Schritt ist daher die technisch-baulichen Gegebenheiten der physischen Ebene und die logischen Bausteine zur Realisierung der jeweiligen Aufgaben zu fusionieren und darüber hinaus eine reale Kollaboration durch eine gemeinsame Infrastruktur zu ermöglichen. Die Konzeption und Realisierung einer solchen Infrastruktur ist das Ziel des Projektes BASIS (Building Automation durch ein Skalierbares Intelligentes System). Ziel dieser Arbeit ist es, über die Erfahrungen während der Konzeption und frühen Implementierungsphase zu berichten.

Material und Methoden: Basierend auf einem Small-CAN-Bus ermöglichen flexibel einsetzbare Busknoten die Realisierung sowohl einfacher Sensorik und Aktorik als auch die Kommunikation mit komplexeren Geräten. Einfache Doppeladern ermöglichen eine kostengünstige Verkabelung, organisiert in Segmenten. Jedes Segment wird kontrolliert durch einen Segmentcontroller, welche untereinander wiederum redundant vermascht sind und mit einem Buildung Manager kommunizieren. Dieser basiert auf einem kostengünstigen ARM SoC und ermöglicht die Ausführung spezifischer Dienste in logisch getrennten Partitionen, jeweils einer beteiligten Domäne entsprechend (z.B. AAL, Energie, Klima, Heizung usw.).

Ergebnisse: Die BASIS-Hardware wurde in sechs Demonstrator-Wohnungen eines Mehrfamilienhauses bei einer Komplettsanierung installiert. Kern der Ansteuerung bilden die Building Manager, welche in einer Systemschicht die Bus-Telegramme - differenziert in virtuelle Kanäle wie in ISO11073:10201 – in strukturierte Sensorwerte für die Partitionen übersetzt. Zur langfristigen Datenhaltung dient eine getrennte Data-Warehouse Partition, welche auf einem HL7 FHIR Server ausgewählte Sensorwerte strukturiert ablegt. Zusätzlich ist ein auftragsorientiertes Logging vorgesehen um aufwändigere Analysen auf bestehenden Sensordaten für die Partitionen zu ermöglichen. Für die Partitionen AAL, Energiemanagement, Klima, Gebäudemanagement und Wohnungswirtschaft wurden ca. 20 UseCases identifiziert, die in der jeweiligen Domäne eine zentrale Rolle spielen. Hierzu gehören aus medizinischer Sicht die Nachtlichtsteuerung, das Tele-Rehabilitationstraining, die Kommunikation von medizinischen Parametern zu Ärzten und pflegerischem Personal, die Durchführung medizinischer Fragebögen, die Erkennung kritischer Zustände und geriatrische Assessments. Im Energiemanagement ist u.a. die Kontrolle von regelbasierten, programmbasierten oder servicebasierten Geräten, sowie die SmartGrid-Integration relevant. Das Klimamanagement adressiert die Optimierung der Heizungs- und Lüftungssteuerung nach variablen Parametern, wie einer Maximallastlimitierung oder Kostenreduktion. Im technischen Gebäudemanagement sind u.a. die Visualisierung installierter Geräte in der Gebäudestruktur, Unterstützung bei der Fehlersuche und -behebung sowie die getunnelte Kommunikation mit komplexeren Geräten identifiziert worden. Aus Sicht der Wohnungswirtschaft haben sich das gemeinsame Monitoring mehrere Wohneinheiten, der Energieverbrauch zu Abrechnungszwecken, der Einbruch- und Diebstahlschutz und der Zugang im Notfall ergeben.

Diskussion: Die Schaffung einer Architektur für gewerkeübergreifende Nutzung birgt eine Reihe von Herausforderungen – sowohl in der technischen Realisierung als auch im Projektmanagement. So müssen zentrale Komponenten, die sich nicht in der Logik der Partitionen abgrenzen, gemeinsam definiert und implementiert werden. Dienste wie die grafische Oberfläche, die Datenhaltung oder die Konfiguration sollen allen Gewerken einheitlich zur Verfügung stehen. Im Laufe der ersten Projektphasen waren intensive Abstimmungen nötig um die stark heterogenen Vorstellungen und Anforderungen der Darstellungskonzepte zu homogenisieren.

Ähnliches gilt für die Schaffung einer einheitlichen Datenspeicherung in Form des Data Warehouses. Statt eine komplexe Ontologie zu schaffen, die in anderen Projekten zu Schwierigkeiten geführt hat, ist ein grundlegendes Objektmodell auf Basis existierender FHIR Resourcen entwickelt worden (vgl. [5]). Die domänenspezifische Ausrichtung von FHIR machte leichte Anpassungen in Form von FHIR Extensions nötig.

Eine Herausforderung ist die Kombination mit körperbezogener Sensorik oder die Einbindung domänenspezifischer hochfrequenter Daten (z.B. Accelerometrie oder Stromkennlinien).

Der zu erwartende Gewinn der in BASIS realisierten Anwendungen ist – allein aus medizinischer Perspektive – enorm, können nun vielfältige Aufgaben der Wohnung als neuartiger Gesundheitsstandort realisiert werden. Beginnend mit neuartigen Notrufunterstützungen, therapeutischen und rehabilitativen Funktionen oder die Detektion und Korrelation veränderlicher Verhaltensmuster mit physischen oder psychischen Erkrankungen (vgl. hierzu [5], [6], [7]). Die Anreicherung durch gewerkeübergreifende Sensordaten lässt weitere Fortschritte erwarten. Der umfassende Ansatz von BASIS ist hier neu und in der Lage diese Erwartungen zu erfüllen.


Literatur

1.
Marschollek M, Becker M, Bauer JM, Bente P, Dasenbrock L, Elbers K, et al. Multimodal activity monitoring for home rehabilitation of geriatric fracture patients–feasibility and acceptance of sensor systems in the GAL-NATARS study. Inform Health Soc Care. 2014;39(3-4):262–271.
2.
Schulze M, Scharnweber C, Janke E, Leitmeier V, Ulrich T, Frieling, H, Hillemacher T, Wolf KH, Haux R, Bleich S, Marschollek M. An Interdisciplinary Workshop to Identify Alcohol Craving Based on Psychophysiological Sensor Data. Biomed Tech. 2013; 58 (Suppl. 1).
3.
Wolf P, Schmidt A, Klein M. SOPRANO - An extensible, open AAL platform for elderly people based on semantical contracts. In: 3rd Workshop on Artificial Intelligence Techniques for Am- bient Intelligence (AITAmI’08), 18th European Conference on Artificial Intelligence (ECAI 08); Patras, Greece; 2008.
4.
Drobics M, Zima M, Hrg D, Bobeth J, Budweg S. FoSIBLE: Design of an Integrated Environment for Social Interaction. ERCIM News. 2011; 87: 33-34.
5.
Schwartze J, Jansen L, Schrom H, Wolf KH, Haux R, Marschollek M. An Object Model for a Home Centered Data Warhouse for Ambient Assisted Living Environments Using HL7 FHIR. In: Proceedings of the 15th World Congress on Health and Biomedical Informatics; Sao Paulo city, Brazil; 2015. [angenommen am 15. März 2015].
6.
Schwartze J, Günther A, Wolf KH, Haux R. Integration neuartiger Gesundheitsdatenquellen in präklinische Versorgungsprozesse. In: Nussbeck SY, Wolff S, Rienhoff O, Hrsg. Abstractband GMDS 2014. Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS) e.V. Göttingen: Schattauer; 2014. p. 543–545.
7.
Wolf KH, Franz S, Schwartze J, Kobelt A, Borrmann H, Kasprowski D, et al. AGT Reha: Assistierende Gesundheitstechnologien für das medizinische Tele-Reha-Training. In: 58. Jahrestagung der GMDS e.V.; 01. bis 05. Sept 2013; Lübeck(DE). 2013.
8.
Wang J, Bauer J, Becker M, Bente P, Dasenbrock L, Elbers K, et al. A novel approach for discovering human behavior patterns using unsupervised methods. Z Gerontol Geriatr. 2014 Dec;47(8):648–660.