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Joint congress of the Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) and the Arbeitskreis zur Weiterentwicklung der Lehre in der Zahnmedizin (AKWLZ)

30.09. - 03.10.2015, Leipzig

Die interaktionale Aushandlung der Entscheidungsfindung in der medizinischen Ausbildung

Meeting Abstract

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  • corresponding author presenting/speaker Tim Peters - Ruhr-Universität Bochum, Zentrum für Medizinische Lehre, Bochum, Deutschland

Gemeinsame Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) und des Arbeitskreises zur Weiterentwicklung der Lehre in der Zahnmedizin (AKWLZ). Leipzig, 30.09.-03.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocV125

doi: 10.3205/15gma011, urn:nbn:de:0183-15gma0118

Published: August 31, 2015

© 2015 Peters.
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Fragestellung/Einleitung: Die Gestaltung der Arzt-Patienten-Beziehung und des Entscheidungsfindungsprozesses sind feste Bestandteile der medizinischen Lehre und werden in allen relevanten Lernzielkatalogen gelistet. Dabei wird insbesondere das Konzept des Shared-Decision-Making breit vertreten und gelehrt. Allerdings fehlen bisher detaillierte Daten dazu, wie sich Medizinstudierende im komplizierten Vorgang der Beziehungskonstitution ganz konkret verhalten und mit welchen kommunikativen Praktiken sie versuchen, eine Entscheidungsfindung zu initialisieren und eigene Vorstellungen durchzusetzen.

Methoden: Es wurden 24 Gespräche von fortgeschrittenen Medizinstudierenden mit geschulten Simulationspatienten anhand von drei separaten Videokameras und einem Diktiergerät aufgezeichnet und anschließend nach den GAT2-Kriterien im Programm EXMARaLDA transkribiert. Dabei wurden neben dem Sprachlichen auch para- und nonverbale Kommunikationselemente verschriftlicht. Anschließend wurden die Transkripte qualitativ mit der linguistischen Gesprächsanalyse ausgewertet, um relevante sprachliche Handlungsmuster und Strukturen zu finden. Als Analysekategorie wurde insbesondere die medizinethische Beziehungstypologie von Emanuel und Emanuel genutzt.

Ergebnisse: Es konnten mehrere Stufen des Entscheidungsfindungsprozesses identifiziert werden. Zunächst findet parallel zu anderen Gesprächsphasen eine Selbstpositionierung der Gesprächsteilnehmer statt, in welcher ethische Wertvorstellungen, die für die Arzt-Patienten-Beziehung und eine Entscheidungsfindung relevant sind, implizit oder explizit kommunikativ markiert werden. Dies kann sowohl sprachlich als auch para- oder nonverbal geschehen. Darauf aufbauend setzt ein mehrstufiger Prozess der dialogischen Aushandlung ein, indem durch initiative und responsive Handlungen zunächst nur der Modus der Entscheidungsfindung ausgehandelt wird und erst anschließend die Therapieoptionen selber besprochen werden. Dieser Prozess wird begleitet von Konflikten und Machtkämpfen, die allerdings hintergründig ablaufen und häufig erst bei einer Mikroanalyse sichtbar werden.

Diskussion/Schlussfolgerung: Die Analyse weist darauf hin, dass Medizinstudierende schon im Studium über komplexe Verfahren der Beziehungskonstitution und Entscheidungsfindung verfügen. Zugleich zeigt sich, dass das Modell des Shared-Decision-Making zu unspezifisch und ungenau ist, um die detaillierten kommunikativen Abläufe und insbesondere die häufig stattfindenden „Machtkämpfe“ und Durchsetzungsversuche der Gesprächspartner zu beschreiben. Somit ist eine Verwendung des Modells in der Lehre zu hinterfragen. Weiterhin zeigte sich, dass während der Entscheidungsfindung kommunikative und ethische Kompetenzen ineinandergreifen. Diese Interdisziplinarität wird zwar auch indirekt in den Lernzielkatalogen beschrieben, allerdings ohne explizit fächerbezogene Konsequenzen fordern. Abschließend werden im Vortrag daher Überlegungen dargestellt, wie Entscheidungsfindungsprozesse alternativ in der Lehre behandelt werden können [1], [2], [3], [4], [5].


Literatur

1.
Frank J. The CanMEDS 2005 Physician Competency Framework. Better Standards. Better Physicians. Better Care. Ottawa: The Royal College of Physicians and Surgeons of Canada; 2005.
2.
Kiessling C, Dieterich A, Fabry G, Hölzer H, Langewitz W, Mühlinghaus I, Pruskil S, Scheffer S, Schubert S. Basler Consensus Statement "Kommunikative und soziale Kompetenzen im Medizinstudium": Ein Positionspapier des GMA-Ausschusses Kommunikative und soziale Kompetenzen. GMS Z Med Ausbild. 2008;25(2):Doc83. Zugänglich unter/available from: http://www.egms.de/static/de/journals/zma/2008-25/zma000567.shtml External link
3.
Doll A. Shared-Decision-Making in der Allgemeinmedizin. Eine systematische Analyse des aktuellen empirischen Forschungsstands. Freiburg: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg; 2012.
4.
Edwards A, Elwyn G. Shared Decision-Making in Health Care. Achieving Evidence-Based Patient Choice. 2nd ed. Oxford: Oxford University Press; 2009.
5.
Emanuel E, Emanuel L. Four Models of the Physician-Patient Relationship. JAMA. 1992;267(16):2221-2226. DOI: 10.1001/jama.1992.03480160079038 External link