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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Einstellungen von Ärzten und Pflegekräften bezüglich der palliativmedizinischen Betreuung von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz

Meeting Abstract

  • Jeanette Ziehm - Universitätsklinikum Freiburg, Institut für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Freiburg, Deutschland
  • Erik Farin-Glattacker - Universitätsklinikum Freiburg, Institut für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Freiburg, Deutschland
  • Katharina Seibel - Universitätsklinikum Freiburg, Klinik für Palliativmedizin, Freiburg, Deutschland
  • Gerhild Becker - Universitätsklinikum Freiburg, Klinik für Palliativmedizin, Freiburg, Deutschland
  • Stefan Köberich - Universitätsklinikum Freiburg, Institut für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Freiburg, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocP165

doi: 10.3205/15dkvf297, urn:nbn:de:0183-15dkvf2977

Published: September 22, 2015

© 2015 Ziehm et al.
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Text

Hintergrund: Chronische Herzinsuffizienz (CHI) ist eine unheilbare Krankheit, die durch einen schleichenden Verlauf mit Phasen der Exazerbation und Stabilisierung gekennzeichnet ist. Patienten leiden zunehmend an Belastungsintoleranz, Atemnot und Ödemen. Symptome und Symptomlast sind denen von Menschen mit malignen Erkrankungen ähnlich. Studienergebnisse legen nahe, dass Patienten mit CHI von einer palliativmedizinischen Versorgung profitieren, was sich an geringeren Hospitalisierungsraten und Medikamentenbedarfen sowie höherer Lebenszufriedenheit zeigt. Gleichwohl werden weniger Patienten mit CHI einer palliativmedizinischen Versorgung zugeführt als Personen mit malignen Erkrankungen. Von Behandlern wird dies mit dem zyklischen Verlauf der Erkrankung, der den Zeitpunkt, zu dem eine Palliation angezeigt wäre, nicht eindeutig bestimmbar macht, Unkenntnis um Inhalte und Strukturen palliativmedizinischer Versorgung innerhalb des Gesundheitswesens sowie mangelnder intra- und interprofessioneller Kommunikation begründet. Für das deutsche Gesundheitssystem gibt es bisher keine Studien, die die Zu- bzw. Nichtzuweisung von CHI-Patienten zu einer palliativmedizinischen Versorgung untersucht haben.

Fragestellung: Welche Einstellungen haben Ärzte und Pflegekräfte bzgl. einer palliativmedizinischen Versorgung von Patienten mit CHI und welche Barrieren bzw. förderlichen Faktoren nehmen sie diesbezüglich wahr?

Methode: Der Fragestellung wird im Rahmen einer Studie nachgegangen, die sich in 3 Phasen gliedert. In Phase 1 werden Interviews mit Ärzten und Pflegekräften durchgeführt, um Einstellungen, Barrieren sowie förderliche Faktoren bzgl. einer palliativmedizinischen Versorgung von Patienten mit CHI zu identifizieren. In Phase 2 soll anhand der Interviewergebnisse ein Fragebogen entwickelt werden und eine breitere Erhebung zu diesen Faktoren stattfinden. In der letzten Phase sollen auf Grundlage der Ergebnisse der Fragebogenerhebung Handlungskonzepte für die zukünftige Praxis mittels Delphi-Befragung entwickelt werden. Die vorliegenden Ergebnisse beziehen sich auf die Interviews der Phase 1. Insgesamt wurden 22 Personen befragt, die in der Behandlung von CHI Patienten tätig sind (niedergelassene und im Krankenhaus tätige Kardiologen, Hausärzte, Pflegekräfte aus ambulanten, stationären und palliativen Bereichen sowie auf CHI spezialisierte Pflegekräfte). Die Befragung erfolgte mittels semistrukturierter Leitfadeninterviews. Die Interviews wurden mittels digitaler Aufnahmegeräte aufgezeichnet, anonymisiert und anschließend transkribiert. Bisher wurden die Interviews von den im Krankenhaus tätigen Kardiologen (n = 4) mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet.

Ergebnisse: Die inhaltliche Analyse der Interviews mit den im Krankenhaus tätigen Kardiologen ergab, dass generell ein Bedarf für die palliativmedizinische Versorgung von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz gesehen wird. Begründet wird dies u. a. mit der steigenden Prävalenz der Erkrankung besonders bei älteren Menschen. Eine palliativmedizinische Versorgung wird mit einer Betreuung am Lebensende assoziiert und nicht als Maßnahme, die bereits früher greifen könnte. Als Barriere für eine palliativmedizinische Versorgung von Patienten mit CHI wird der medizinische Fortschritt der letzten Jahrzehnte genannt, der zu einem größeren Therapieangebot und somit zu einer möglichen Lebensverlängerung führt. Darüber hinaus beschreiben die Befragten die Kardiologie als medizinische Disziplin, die sich eher einer kurativen Behandlungsideologie verschreibt. Auch Bedenken bzgl. einer berufsgruppenbezogenen „Konkurrenz“ wurden angebracht. Bekannte palliativmedizinische Einrichtungen bzw. Angebote richten sich nach Ansicht der Befragten vorwiegend an onkologische Patienten. Auch sind in der momentanen kardiologischen Versorgungspraxis Elemente der Palliativmedizin (z.B. ganzheitliche Versorgung von Angehörigen und Patienten) nicht etabliert. Generell zeigte sich aber eine Offenheit gegenüber einer Kooperation zwischen Kardiologie und Palliativmedizin, wobei mehrheitlich die Integration der Palliativmedizin in die kardiologische Klinik/Station priorisiert wurde.

Diskussion: Die ersten Ergebnisse weisen darauf hin, dass sich die wahrgenommenen Barrieren und förderlichen Faktoren bzgl. einer palliativmedizinischen Versorgung von Patienten mit CHI in Deutschland weitestgehend mit Befunden aus anderen Ländern decken. Im Beitrag werden darüber hinaus weitere Ergebnisse aus den Interviews mit den anderen Berufsgruppen vorgestellt, deren Auswertung bereits begonnen hat und bis zum Sommer 2015 abgeschlossen sein wird.

Praktische Implikation: Die Ergebnisse der Studie können einen Beitrag zur Entwicklung von Maßnahmen leisten, welche die palliativmedizinische Versorgung dieser Patienten fördert. Konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Situation werden innerhalb der Delphi-Befragung entwickelt.