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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

GIS-basierte Versorgungsforschung – Kleinräumige medizinische Versorgungsanalyse mit Fuzzy Logic

Meeting Abstract

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  • Michael Müller - Bayerische TelemedAllianz, Ingolstadt, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocP106

doi: 10.3205/15dkvf196, urn:nbn:de:0183-15dkvf1962

Published: September 22, 2015

© 2015 Müller.
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Hintergrund: Der demografische Wandel ist in Deutschland durch Schrumpfung und Alterung geprägt. Vor diesem Hintergrund wird es eine besondere Aufgabe sein, den allgemein guten medizinischen Versorgungsgrad aufrechterhalten zu können. Politische Reformen im Gesundheitsbereich greifen diesen Umstand zwar auf, allerdings können für die Umsetzung der ärztlichen Bedarfsermittlung einige Problemstellen in der Bedarfsanalyse identifiziert werden.

Fragestellung: Zum einen sei hier die Schwierigkeit der Modellierung raumwirksamer Faktoren, insbesondere der differenzierten Erreichbarkeiten, herausgegriffen. Bisher werden starre Schwellwerte für eine „angemessene“ Erreichbarkeit eines Arztes oder Klinikums herangezogen. Variable oder „fließende“ Maßzahlen, wie z.B. die Erreichbarkeit in Abhängigkeit vom Alter, die der Realität weitaus eher entsprechen, werden nicht genutzt. Wie können diese scharfen Vorgaben aufgebrochen werden?

Zum anderen sei das menschliche Verhalten erwähnt, wenn sich ein Patient zwischen mehreren Praxen oder Kliniken entscheiden kann. In der Bedarfserhebung findet das menschliche Verhalten keine nennenswerte Berücksichtigung. Diverse Arbeiten zeigen aber, dass je nach Alter unterschiedliche Wahlalternativen seitens der Patienten abgewogen werden, was wiederum einen wesentlichen Einfluss auf die gesamte Versorgungsleistung hat. Eine Methodik, die dieses Verhalten in der Bedarfsermittlung berücksichtigt, fehlt jedoch bislang. Wie könnte das kompensatorische Handeln in der Analyse abgebildet werden?

Könnten beide Fragestellungen beantwortet werden, so wäre die kleinräumige Bedarfsanalyse wesentlich robuster und für den demografischen Wandel besser eingestellt.

Methode: Prinzipiell bietet sich der Einsatz von Geographischen Informationssystemen (GIS) als Werkzeug, das mit der Veränderlichkeit demografischer Prozesse in Raum und Zeit sowie mit Straßendaten umgehen kann, an.GIS-Applikationen arbeiten aber gemeinhin mit exakten Werten und Operanden, was eine Anpassung für die oben genannten Fragestellungen notwendig macht.

Als Ausgangsbasis für eine Modellentwicklung wurden anonymisierte Melderegisterdaten (Alter und Lagekoordinaten) eines Landkreises (ca. 70.000 Personen) sowie OpenStreetMap-Straßendaten herangezogen.

Die Methodik zum Modellieren „weicher“ Schwellwerte kann mit der Fuzzy Logic vorgenommen werden. Die Technik hat sich seit ihrer Entwicklung Mitte der 1960er in vielen Einsatzszenarien (elektronische Controller, Entscheidungsunterstützungssysteme, usw.) vielfach bewährt.

Die Fuzzy Set-Theorie überführt und normalisiert scharfe Werte anhand von Zugehörigkeitsfunktionen in unscharfe Zahlen. Wesentlicher Vorteil ist hierbei, dass verschiedene Parameter mit unterschiedlichen Dimensionen auf eine einfache Art und Weise miteinander kombiniert werden können. Das regelbasierte „Wenn-Dann“-System bleibt dank natürlicher Sprachdefinition überschaubar und transparent, was für die Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse wichtig ist. Je nachdem welche mathematische Formel eingesetzt wird, können Gewichtungen einzelner Parameter die Aussagekraft steigern.

Ergebnisse: Nachdem ein Fuzzy Logic-System für ein GIS adaptiert wurde, welches mit Punktobjekten (Personen) umgehen kann, können beide Fragestellungen dank kompensatorischer Operatoren in einem GIS beantwortet werden.

Dem System inhärent ist die Tatsache, dass Erreichbarkeiten durch Überlagerungen von Klassengrenzen verschmelzen und somit als unscharf zu bezeichnen sind, was wiederum die starren Vorgaben von Erreichbarkeiten aufbricht. Gleichzeitig können altersabhängige Erreichbarkeiten durch entsprechende Regeldefinitionen bewertet werden. Die Ergebnisse dieser Regeln werden im System berechnet und nach der Defuzzyfizierung als konkrete Werte für jede Person in einer Karte angezeigt.

Verschiedene Szenario-Rechnungen, die eine Veränderung der Patientenzusammensetzung (Alter, Arztkontakte usw.) simulieren, wurden durchgeführt. Mikroskalige Räume (200x200 Meter Raster) konnten identifiziert werden, in denen sich nach Modellrechnungen wesentliche Veränderungen ergeben hatten. Für eine zukunftsfähige Versorgungsleistung kann mit diesen kleinräumigen Einheiten operiert werden.

Diskussionen: Nachdem Beispiele aus einem überwiegend ländlich geprägten Forschungsgebiet mit urbanen Raumeinheiten im Nordosten Bayerns die Robustheit der Fuzzy-GIS-Applikation belegen, gilt es nun eine Feinjustierung der Operatoren und Gewichtungen vorzunehmen. Eine Implementierung in bestehende Systeme sowie Hinzuziehen weiterer Parameter ist durch die einfache Anpassungsfähigkeit des Systems leicht möglich.

Praktische Implikationen: Die Bedarfsermittlung der (in diesem Fall) KVB kann um weitere Kennzahlen erweitert werden, was die Zuverlässigkeit der Ausweisung von Arztsitzen erhöhen könnte. Durch die Berücksichtigung von Patienten-Wahlmöglichkeiten wird die Ermittlung robuster für die Zukunft. Gleichzeitig können durch Analysen kleinräumige Gebiete identifiziert werden, in denen bspw. Telemedizin verstärkt eingesetzt werden kann.