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Komplikationen bei der Frakturheilung – Therapeutische Polypragmasie? Ergebnisse einer Umfrage
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Published: | October 13, 2014 |
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Fragestellung: Komplikationen bei der Frakturheilung treten mit einer Inzidenz von bis zu 30% auf. Insbesondere Frakturen des Unterschenkels in Verbindung mit typischen Risikofaktoren (offene Fraktur, Nikotinabusus) sind hierfür prädestiniert. Mit zunehmend besserem Verständnis der physiologischen Grundlagen der Knochenbruchheilung haben Überlegungen hinsichtlich der über die osteosynthetische Versorgung hinausreichenden therapeutischen Optionen - im Sinne der adjuvanten Therapiemaßnahmen - aber auch hinsichtlich des Interventionszeitpunktes in der unfallchirurgischen Literatur zunehmend Verbreitung gefunden.
Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es die Versorgungsrealität 2014 mit besonderem Focus auf der Diagnosestellung, dem Interventionszeitpunkt, der chirurgischen Therapie, sowie dem Einsatz von adjuvanten Therapieverfahren bei gestörter Knochenbruchheilung darzustellen.
Methodik: Mittels eines Online-Fragebogens (Plattform Surveymonkey) wurden die Abteilungsverantwortlichen Ärzte von über 537 deutschen unfallchirurgischen Kliniken aller Versorgungsstufen eingeladen, den idealen Therapieverlauf für einen Fallbeispiel (34 Jahre, Sportunfall, I° offene Unterschenkelfraktur vor 3 Monaten, Marknagelung) zu skizzieren.
Der Fragebogen mit bis zu 23 Fragen konnte online über einen personalisierten Link beantwortet werden.
Die Teilnehmer sollten zunächst eine Diagnose (freie Wahl der Diagnostik) stellen und dann ein Therapieschema mit Fragen zu Zeiträumen, chirurgische Maßnahmen und dem Einsatz adjuvante Maßnahmen entwerfen.
Ergebnisse und Schlussfolgerung: Die Rücklaufquote beträgt 107/537 (19,9%, davon 91% komplette Datensätze). 100/106 (94,3%) stellten die Diagnose verzögerte Frakturheilung. 22,6% sahen Interventionsbedarf nach 3 Monaten (Early Birds) (4% Fix.ex., 40% Umnagelung, 56% keinen chirurg. Interventionsbedarf). 77,4% sahen keinen Interventionsbedarf nach drei Monaten (Traditionalisten). Allerdings sahen insgesamt 74,7% eine Indikation für adjuvante Maßnahmen (Spongiosa, BMP7, BMP-2, Ultraschall, Stoßwelle, Magnetfeld). Davon würden 72,3% nach 6, 6% nach 9, 13,3% >9 und 8,4% nie intervenieren. Den Zeitpunkt für adjuvante Maßnahmen sahen hiervon 52% nach 6 Monaten (Adjuvante Maßnahmen: Spongiosa, BMP-7, BMP-2, Ultraschall, Stoßwelle, Magnetfeld, thrombocytenreiches Plasma (Mehrfachnennungen möglich)), 12% nach 9 Monaten (Spongiosa, BMP-2, Ultraschall), 12% nach >12 Monaten und 24% nie. In 32% der Kliniken gibt es eine SOP zur Behandlung von Frakturheilungsstörungen.
Während die Diagnose verzögerte Frakturheilung' offensichtlich als Common sense bezeichnet werden kann sind die therapeutischen Strategien und der Zeitpunkt der Intervention weit weniger einheitlich verteilt. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Wahl der Intervention als auch hinsichtlich des Interventionszeitpunktes. Somit kann sehr wohl von einer Polypragmasie gesprochen werden, die am ehesten auf die gegenwärtig schlechte Evidenzlage zurückgeführt werden muss.