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31. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP) zusammen mit dem 5. Pädakustiker-Symposium der Akademie für Hörgeräte-Akustik

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

18.09. - 21.09.2014, Lübeck

Die funktionelle endoskopische Schluckuntersuchung bei Kleinkindern mit Fütterstörungen

Vortrag

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  • corresponding author presenting/speaker Sylvia Meuret - Sektion Phoniatrie und Audiologie, Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum Leipzig, Leipzig, Deutschland
  • Michael Kroll - Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters, Universitätsklinikum Leipzig, Leipzig, Deutschland
  • Michael Fuchs - Sektion Phoniatrie und Audiologie, Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum Leipzig, Leipzig, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Akademie für Hörgeräte-Akustik. 31. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP) zusammen mit dem 5. Pädakustiker-Symposium der Akademie für Hörgeräte-Akustik. Lübeck, 18.-21.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocV37

doi: 10.3205/14dgpp62, urn:nbn:de:0183-14dgpp620

Published: September 2, 2014

© 2014 Meuret et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Die Relevanz der Diagnostik und Therapie von Fütterstörungen (FS) bei Säuglingen und Kleinkindern bzw. Entwöhnungen von Sondenernährung wurde in den letzten Jahren intensiviert untersucht. Die ICD-Diagnose F98.2 „Fütterstörung im frühen Kindesalter“ wird im klinischen Alltag häufig durch die US-amerikanischen Einteilung DC0-3R nach Chatoor ergänzt: FS mit Beeinträchtigung der homöostatischen Regulation, FS mit Beeinträchtigung der reziproken Interaktion, Frühkindliche Anorexie, Sensorische Nahrungsverweigerung, FS assoziiert mit medizinischen Erkrankungen und FS nach Eingriffen in den Gastrointestinaltrakt. Wie bei allen psychiatrischen Störungen wird zunächst die organische Beteiligung abgeklärt.

Material und Methoden: Kindern mit schweren FS werden unter kinderpsychiatrischer/-psychosomatischer (KJPP) stationärer Fallführung in einem interdisziplinären Team betreut. Im Rahmen der somatischen Diagnostik erfolgt die funktionelle endoskopische Schluckuntersuchung (FEES) als Basisuntersuchungen zum Ausschluss einer oropharyngealen Dysphagie (OPD). 27 Kleinkinder im Alter von 7–41 Monaten (Median: 18 Monate) wurden zur FEES vorgestellt. Alle Kinder hatten eine FS oder kindliche Anorexie.

Ergebnisse: 5/27 Kindern hatten keine somatische Nebendiagnose. 22/27 Kindern hatten beeinträchtigende Nebendiagnosen (8 Chromosomenanomalien, 5 kraniofaziale Fehlbildungen, 4 Z.n. Ösophagusatresie, 3 ehemalige Frühgeborene, 3 komplexe Herzfehler). Bei allen Kindern konnte eine flexible Laryngoskopie durchgeführt werden. 6/27 Kindern hatten hierbei Auffälligkeiten (3x Laryngitis gastrica, 1x Schreiknötchen, 1x Choanalstenose, 1x ausgeprägte Adenoide). Bei 26/27 Kindern konnte die FEES durchgeführt werden. 5 Kinder hatten eine OPD. Alle 5 Kinder hatten Nebendiagnosen: 3 kraniofaziale Fehlbildungen, 1 Trisomie 21, 1 Z.n. Ösophagustenose. In einer Zweituntersuchung bei 2 dieser Kinder nach komplexer KJPP- Intervention und Logopädie war keine OPD mehr nachzuweisen.

Diskussion: Bis dato ist die FEES als Basisuntersuchung bei Kindern mit FS nicht in der Literatur beschrieben worden. Die FEES konnte auch bei Kleinkindern mit komplexen Grunderkrankungen durchgeführt werden. Des Weiteren zeigte sie sich als eine Möglichkeit auch den Erfolg einer komplexen KJPP-Intervention bei Kindern mit einer OPD nachzuweisen.


Text

Hintergrund

Die Relevanz der Diagnostik und Therapie von Fütterstörungen (FS) bei Säuglingen und Kleinkindern bzw. Entwöhnungen von Sondenernährung wurde in den letzten Jahren intensiviert untersucht. Die ICD-Diagnose F98.2 „Fütterstörung im frühen Kindesalter“ wird im klinischen Alltag häufig durch die US-amerikanischen Einteilung DC0-3R nach Chatoor ergänzt: FS mit Beeinträchtigung der homöostatischen Regulation, FS mit Beeinträchtigung der reziproken Interaktion, frühkindliche Anorexie, sensorische Nahrungsverweigerung, FS assoziiert mit medizinischen Erkrankungen und FS nach Eingriffen in den Gastrointestinaltrakt. Die FS dauert defintionsgemäß wenigstens zwei Wochen und beginnt in der Neugeborenenperiode.

Wie bei allen psychiatrischen Störungen wird zunächst die organische Beteiligung abgeklärt.

Material und Methoden

Kindern mit schweren FS werden unter kinderpsychiatrischer/-psychosomatischer (KJPP) stationärer Fallführung in einem interdisziplinären Team betreut. Im Rahmen der somatischen Diagnostik erfolgt die funktionelle endoskopische Schluckuntersuchung (FEES) als Basisuntersuchungen zum Ausschluss einer oropharyngealen Dysphagie (OPD). 27 Kleinkinder im Alter von 7–41 Monaten (Median: 18 Monate) wurden zur FEES vorgestellt. Alle Kinder hatten eine FS oder kindliche Anorexie. Da es sich bei vielen Kindern mit einer Fütterstörungen auch um Risikokinder für eine Schwerhörigkeit handelt wurde auch bei allen Patienten eine Audiometrie angestrebt.

Ergebnisse

5/27 Kindern hatten keine somatische Nebendiagnose. 22/27 Kindern hatten beeinträchtigende Nebendiagnosen:

8 Kinder litten zusätzlich an einer Chromosomenanomalie, 3 Kinder waren ehemalige Frühgeborene (<30. Schwangerschaftswoche), 5 Kinder hatten eine kraniofaziale Fehlbildung. Bei 4 Kindern lag ein Zustand nach operativer Therapie einer Ösophagusatresie vor. Bei 3 Kindern lag ein komplexer Herzfehler vor.

Bei allen Kindern konnte eine flexible Laryngoskopie durchgeführt werden. 6/27 Kindern hatten hierbei Auffälligkeiten (3x Laryngitis gastrica, 1x Schreiknötchen, 1x Choanalstenose, 1x ausgeprägte Adenoide). Bei 26/27 Kindern konnte die FEES durchgeführt werden. 5 Kinder hatten eine OPD. Alle 5 Kinder hatten Nebendiagnosen: 3 kraniofaziale Fehlbildungen, 1 Trisomie 21, 1 Zustand nach operativer Therapie einer Ösophagustenose. In einer Zweituntersuchung bei 2 dieser Kinder nach komplexer KJPP- Intervention und Logopädie war keine OPD mehr nachzuweisen.

Des Weiteren wurde bei allen Kindern eine Audiometrie durchgeführt: Bei 5 Kindern zeigte sich eine Schwerhörigkeit, die bei 2 Kindern mit Hörgeräten und bei 2 Kindern mit einem Cochlea- Implantat versorgt wurde.

Diskussion

Bis dato ist die FEES als Basisuntersuchung bei Kindern mit FS nicht in der Literatur beschrieben worden. Die FEES konnte auch bei Kleinkindern mit komplexen Grunderkrankungen durchgeführt werden. Des Weiteren zeigte sie sich als eine Möglichkeit auch den Erfolg einer komplexen KJPP-Intervention bei Kindern mit einer OPD nachzuweisen.

Zusätzlich sollte bei der Betreuung dieser Kinder immer die Audiometrie mit eingeplant werden, da es sich häufig um Risikokinder für eine Schwerhörigkeit handelt: in der untersuchten Population wurde bei 18,5% eine Schwerhörigkeit neu diagnostiziert.

Fazit

Die Möglichkeit einer vorliegenden Fütterstörung bei Kleinkindern mit Gedeihstörungen sollte mehr in das Bewusstsein des Phoniaters gelangen. Eine komplexe konservative Therapie unter Leitung einer erfahrenen KJPP kann auch bei Kindern mit komplexen Grunderkrankungen sehr erfolgreich sein, um die Kinder von einer Sondenkost zu entwöhnen. Die FEES stellt dabei einen gut praktikable somatische Basisdiagnostik dar.