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31. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP) zusammen mit dem 5. Pädakustiker-Symposium der Akademie für Hörgeräte-Akustik

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

18.09. - 21.09.2014, Lübeck

Änderungen der Stimmlippenschwingungen durch eine Water Resistance Therapy

Vortrag

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Akademie für Hörgeräte-Akustik. 31. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP) zusammen mit dem 5. Pädakustiker-Symposium der Akademie für Hörgeräte-Akustik. Lübeck, 18.-21.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocV36

doi: 10.3205/14dgpp61, urn:nbn:de:0183-14dgpp615

Published: September 2, 2014

© 2014 Echternach et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: In der Stimmtherapie werden zunehmend Techniken eingesetzt, die eine Verbesserung der Stimmleistung durch Phonation in Röhren hervorbringen sollen. In Modellversuchen, kann durch solche Techniken eine deutliche Steigerung der stimmliche Leistungsfähigkeit gezeigt werden, jedoch ist bislang nicht geklärt, wie sich unter solchen Phonationen die Stimmlippenschwingungseigenschaften in vivo verändern.

Material und Methoden: Vier stimmgesunde Probanden (2 Frauen, 2 Männer) wurden während der Phonation in verschiedenen Konditionen (vor, während und nach der Phonation in einen Plastikschlauch mit Querschnitt 2 cm, der 5, 10 bzw. 18 cm unter Wasser gehalten wurde) mit einer Hochgeschwindigkeitsglottographie (Fa Wolf, 4000 fps) hinsichtlich der Stimmlippenschwingungsmuster untersucht. Aus den Aufnahmen wurden Phonovibrogramme erstellt und verschiedene Parameter wie Maximum Area Declination rate (MADR), Schlussquotient (CQ), Schließungsquotient (CiQ), Amplitudenquotient (AQ), Jitter und Shimmer berechnet.

Ergebnisse: Während und nach der Phonation mit Wassertiefe der Röhre von 5 cm nahm die Frequenzperturbation ab. Im Vergleich zur Phonation mit Schlauchtiefe 10 cm bzw. 18 cm unter Wasser nahmen CQ und MADR für die Kondition mit 5 cm ab.

Diskussion: Die Daten legen nahe, dass die Phonation in einen Schlauch, der 5 cm unter Wasser gehalten wird, einen stabilisierenden Effekt auf die Phonation hat.


Text

Einleitung

In den letzten Jahren haben Methoden zur Stimmtherapie an Bedeutung gewonnen, die die Stimmgebung durch Veränderungen des Vokaltraktes mittels Phonation in Röhrensysteme beeinflussen sollen. In diesem Zusammenhang wurden vielfältige Untersuchungen des Einflusses von nicht geschlossenen Röhrensystemen (semi occluded vocal tract) auf physiologische Aspekte der Stimmgebung sowohl in Modellversuchen als auch in vivo durchgeführt. Alternativ werden in der Stimmtherapie auch Methoden eingesetzt, in denen in eine Röhre phoniert wird, welche in Wasser gehalten wird. Letztere Methode wird englisch als Water Resistance Therapy bezeichnet.

Es konnte gezeigt werden, dass sich unter solchen therapeutischen Massnahmen sowohl Änderungen des transglottischen Luftflusses, des elektroglottographischen Kontaktquotienten, des Phonation- und Collision-Threshold Pressure [1], [2], [3] ergeben. Durch Phonation in eine Röhre unter Wasser zeigt sich zudem eine Erhöhung des subglottischen und intraoralen Druckes. Auch konnten Veränderungen der Einstellung des Vokaltraktes nachgewiesen werden. Insbesondere wird der Kehlkopf durch solche Methoden abgesenkt [3].

Durch Phonation in Wasser kommt es zudem während der Phonation zur pulsierenden (ca. 10–20 Hz) Blasenbildung. Dies führt zu einer Variation des intraoralen Druckes. Es wird derzeitig angenommen, dass diese Anwendung einen Massage-artigen Effekt haben könnte. Durch die Pulsation kommt es zudem zur Änderung des transglottischen Druckes, ein Vorgang der wiederum die Stimmlippenschwingungen modifizieren sollte, was Änderungen des elektroglottographischen Signales erklären könnte.

Obschon es viele Effekte dieser Therapiemethode auf die Stimmfunktion zu geben scheint, ist der Effekt auf die Stimmlippenschwingungseigenschaften bislang nicht ausreichend untersucht.

Material und Methoden

Insgesamt wurden 4 Probanden (2 weiblich, 2 männlich) eingeschlossen. Keiner der Probanden klagte über Stimmbeschwerden. Im Bereich der Stimmlippen waren keine organischen Veränderungen nachweisbar.

Bei den Probanden wurden 2 unterschiedliche Untersuchungen durchgeführt: Zunächst wurden sie gebeten, einen stabilen Vokal /i/ in angenehmer Tonhöhe und Laustärke auszuhalten. Dann erfolgt eine Phonation über 5 Minuten in einen Schlauch (Silikon, 45 cm Länge und Querschnitt 2 cm), der am Ende 5 cm unter Wasser gehalten wird. Vor, während und nach der Phonation in den Schlauch erfolgte eine Aufnahme der Stimmlippen mit einer Hochgeschwindigkeitskamera (HERS Endocam, Firma Wolf, Aufnahme 2 Sekunden mit 4000 fps, starre Optik 90 Grand). Abbildung 1 [Abb. 1] zeigt das Setting der Hochgeschwindigkeitsglottographie während der Phonation in den Schlauch unter Wasser. In einer zweiten Kondition wurde der Schlauch (1) 10 cm bzw. (2) 18 cm während der Phonation unter Wasser gehalten.

Von den Hochgeschwindigkeitsfilmen wurden je 1000 Bilder (=250 ms) für die Auswertung herangezogen, die Glottis segmentiert und Phonovibrogramme (Michael Döllinger, Universität Erlangen) erstellt. Hiernach wurden Maximum Area Declination Rate (MADR), Offen-Quotient (OQ), Amplitude-to-length-ratio, und Jitter berechnet.

Ergebnisse

Die Grundfrequenz zeigte eher unsystematische und interindividuelle Unterschiede. Gleichwohl waren bezüglich der Schwingungseigenschaften Trends erkennbar (Abbildung 2 [Abb. 2]). Der Offen-Quotient zeigte während der Phonation mit Schlauch 5 cm unter Wasser bei 3 von 4 Probanden im Vergleich zum Vorbefund einen deutlichen Anstieg gefolgt von einem Abfall nach der Phonation. Ebenso war auch der Offenquotient höher für die Phonation in einen Schlauch 10 cm unter Wasser.

In gleicher Weise wie der Offen-Quotient stieg, nahm währen der Phonation in einen Schlauch 5 cm unter Wasser die MADR ab. Die Amplitude-to-length-ratio wies für die jeweilige Stimmlippe bei Phonation in einen Schlauch unter Wasser deutlich niedrigere Werte auf. Der Jitter nahm im Vergleich zur Phonation ohne Schlauch mit der Phonation in den Schlauch 5 cm unter Wasser ab, welcher auch dann nach der Phonation in den Schlauch stabil blieb. Gleichwohl zeigte sich bei Vertiefung des Schlauches auf 10 cm bzw. 18 cm erneut ein Anstieg des Jitters.

Diskussion

Die Daten zeigen, dass die Regularität im Sinne einer Erniedrigung des Jitters bei Phonation in eine Röhre, welche unter Wasser gehalten wird, steigt. Dieser Effekt ist allerdings bei nur einer geringen Eintauchtiefe bei 5 cm unter Wassersäule nachweisbar. Bei höherem Widerstand steigt die Irregularität. Wie zu erwarten war, steigt der Offen-Quotient bei Erhöhung des intraoralen Drucks durch Phonation in einen Schlauch unter Wasser, da auch der intraglottale Druck größer wird und die Schlussphase geringer ist. Nach der Phonation in den Schlauch zeigten sich allerdings erniedrigte Offen-Quotienten, welches für einen besseren Glottisschluss durch die Phonation in den Schlauch spricht. Zudem war auch eine Veränderung der MADR nachweisbar. Während die Phonationen mit Schlauch 10 bzw. 18 cm eher unsystematische Bezüge zeigten, war für die Phonation 5 cm unter Wasser eine Abnahme der MADR erkennbar. Nach dieser Phonation war der Wert allerdings bei 3 von 4 Probanden noch immer unter dem Ausgangswert. Die MADR hat einen Bezug zur Maximum Flow Declination Rate (MDFR) des transglottalen Luftstromes, welche mit der Lautheit korreliert. Da Luft allerdings eine Trägheit besitzt, weist der Flow eine größere Steilheit als die Flächenfunktion auf. Deswegen sind in diesem Experiment nur indirekt Schlüsse auf die akustische Bedeutung möglich. Unter Annahme einer gleichen Relation von MADR zu MFDR ist allerdings davon auszugehen, dass die Lautheit durch Phonation in einen Schlauch 5 cm unter Wasser nicht erhöht wird.


Literatur

1.
Enflo L, Sundberg J, Romedahl C, McAllister A. Effects on vocal fold collision and phonation threshold pressure of resonance tube phonation with tube end in water. J Speech Lang Hear Res. 2013 Oct;56(5):1530-8. DOI: 10.1044/1092-4388(2013/12-0040) External link
2.
Horácek J, Radolf V, Bula V, Veselý J, Laukkanen AM. Experimental investigation of air pressure and acoustic characteristic of human voice. Part 1: Measurement in vivo. 18th International Conference Engineering Mechanics 2012. p. 403-17. Available from: http://engmech.cz/2012/im/im/download/EM2012_proceedings.pdf External link
3.
Guzman M, Castro C, Testart A, Muñoz D, Gerhard J. Laryngeal and pharyngeal activity during semioccluded vocal tract postures in subjects diagnosed with hyperfunctional dysphonia. J Voice. 2013 Nov;27(6):709-16. DOI: 10.1016/j.jvoice.2013.05.007 External link