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31. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP) zusammen mit dem 5. Pädakustiker-Symposium der Akademie für Hörgeräte-Akustik

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

18.09. - 21.09.2014, Lübeck

Validierung der deutschen Version der Sekretbeurteilungsskala nach Murray

Vortrag

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  • corresponding author presenting/speaker Petra Pluschinski - Schwerpunkt für Phoniatrie und Pädaudiologie, KHNO, Universitätsklinikum, Frankfurt/Main, Deutschland
  • author Yevgen Zaretsky - Schwerpunkt für Phoniatrie und Pädaudiologie, KHNO, Universitätsklinikum, Frankfurt/Main, Deutschland
  • author Christiane Hey - Schwerpunkt für Phoniatrie und Pädaudiologie, KHNO, Universitätsklinikum, Frankfurt/Main, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Akademie für Hörgeräte-Akustik. 31. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP) zusammen mit dem 5. Pädakustiker-Symposium der Akademie für Hörgeräte-Akustik. Lübeck, 18.-21.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocV19

doi: 10.3205/14dgpp29, urn:nbn:de:0183-14dgpp295

Published: September 2, 2014

© 2014 Pluschinski et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Sekretansammlungen im Hypopharynx, Aditus laryngis und der Trachea finden sich bei Patienten mit schweren oropharyngealen Dysphagien und bilden daher eines der Kardinalmerkmale von Schluckstörungen mit hoher klinischer und therapeutischer Relevanz. Ziel dieser Studie ist die Validierung der deutschen Version der Sekretbeurteilungsskala nach Murray zur standardisierten Bewertung der Sekretansammlungen schluckgestörter Patienten im deutschen Sprachraum.

Material und Methoden: Die deutsche Übersetzung erfolgte nach Autorisierung durch Murray gemäß den Richtlinien für die Übersetzung fremdsprachlicher Messinstrumente. Es wurden 40 fiberoptisch erfasste Videosequenzen (10 Sequenzen je Grad) von Schlucken in randomisierter Reihenfolge von vier Ratern beurteilt. Zur Bestimmung der Intrarater-Reliabilität erfolgte das Rating zweimal im Abstand von zwei Wochen mit unterschiedlicher Randomisierung. Die Ratings wurden zudem mit dem durch zwei erfahrene Dysphagieexperten definierten Referenzstandard verglichen.

Ergebnisse: Sowohl die Interrater-Reliabilität (Kendalls W>0,951***) als auch die Intrarater-Reliabilität (τ>0,847***) erwiesen sich als sehr gut. Die Korrelationen der Mediane von einzelnen Ratings mit dem Referenzstandard waren alle hochsignifikant: τ>0,959***.

Diskussion: Damit zeigt sich die deutsche Version der Sekretbeurteilungsskala nach Murray als reliables und valides Instrument zur Graduierung eines der Kardinalmerkmale einer oropharyngealen Schluckstörung.

Fazit: Es ist empfehlenswert diese Skala in die Standardbewertung einer FEES-Diagnostik Befundbeurteilung zu integrieren.


Text

Einleitung

Sekretansammlungen im Hypopharynx, Aditus laryngis und der Trachea finden sich bei Patienten mit schweren oropharyngealen Dysphagien. Sie bilden somit ein Kardinalmerkmal von hoher klinischer und therapeutischer Relevanz. Sie zeigen sich klinisch häufig unspezifisch als „wet voice“. In der Originalarbeit von Murray et al. konnte gezeigt werden, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen Eindringtiefe der Sekrete sowie der akkumulierten Menge zu einem erhöhten Aspirationsrisiko besteht [1]. Jüngere Studien zeigen darüber hinaus einen Zusammenhang mit einer beeinträchtigten Schluckphysiologie bei verschiedenen Patientenpopulationen wie Schlaganfall, Morbus Parkinson, ALS [2], [3], [4]. Auch ein signifikanter Zusammenhang zwischen Sekretansammlungen und einem erhöhten Malnutritionsrisiko ist beschrieben [5]. Eine systematische und standardisierte Erfassung der Sekretansammlungen erscheint auf diesem Hintergrund angemessen, auch im Hinblick auf Verlaufskontrollen und die Einleitung eines kontrollierten Oralisierungsregimes. Ziel dieser Studie ist daher die Validierung der deutschen Version, um eine Standardisierung in der Bewertung der Sekretansammlungen schluckgestörter Patienten zu erreichen.

Methodik

Die deutsche Übersetzung erfolgte nach Autorisierung durch Murray gemäß den Richtlinien für die Übersetzung fremdsprachlicher Messinstrumente [6]. Da Schweregrad 2 der vierstufigen Skala ausschließlich eine unidirektionale Interpretation des Verlaufs der Sekretansammlungen erlaubt („…alle Sekrete, die während des Beobachtungsabschnitts von Bewertungsgrad „1“ zu Bewertungsgrad „3“ wechseln“), damit aber Verläufe, die einem spontanen oder angewiesenen Reinigungsversuch folgen, nicht erfasst werden, wurde die Skala entsprechend in Absprache mit dem Autor des Originals geändert in: „Alle Sekrete, die während des Beobachtungsabschnitts von Bewertungsgrad „1“ zu „3“ bzw. von Bewertungsgrad „3“ zu „1“ wechseln“.

Es wurden 40 FEES-Videosequenzen (10 Sequenzen je Schweregrad) von Schlucken in randomisierter Reihenfolge von vier Ratern beurteilt. Zur Bestimmung der Intrarater-Reliabilität erfolgte das Rating zweimal im Abstand von zwei Wochen mit unterschiedlicher Randomisierung. Die Ratings wurden zudem mit einem durch zwei erfahrene Dysphagieexperten definierten Referenzstandard verglichen. Der Beobachtungszeitraum der Videosequenzen beinhaltet den ersten Blick auf den Hypopharynx bis nach möglichen Reinigungsversuchen und beträgt höchstens 45 Sekunden.

Statistische Analyse

Berechnet wurden die Intrarater-Reliabilität mittels Spearman-Korrelationen für das Übereinstimmungsmaß, sowie der Vorzeichen-Test für gepaarte Stichproben (beide Ratingzeitpunkte) für das Unterschiedsmaß. Die Interrater-Reliabilität wurde bestimmt mit Krippendorff’s Alpha (Übereinstimmungsmaß) und Friedman-Test (Unterschiedsmaß), die Übereinstimmungsvalidität der Rating-Mediane im Vergleich mit dem Referenzstandard mittels Spearman-Korrelationen und Vorzeichen-Test für gepaarte Stichproben.

Ergebnisse

Sowohl die Interrater-Reliabilität (Kendalls W>0,951***) als auch die Intrarater-Reliabilität (t>0,847***) erwiesen sich als hochsignifikant. Vor allem zeigte sich jedoch die Übereinstimmungsvalidität hochsignifikant: t>0,959*** ohne signifikante Unterschiede.

Diskussion

Die hier präsentierte deutsche Version der Sekretbeurteilungsskala nach Murray zeigt sich als reliables und valides Instrument zur Graduierung eines der Kardinalmerkmale einer oropharyngealen Schluckstörung.

Intrarater- und Interrater-Reliabilität zeigen sich hoch signifikant, es finden sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Ratingzeitpunkten bzw. zwischen den Ratern. Für die Übereinstimmungsvalidität mit dem Experten-Referenzstandard konnten für die gebildeten Mediane hohe Korrelationen nachgewiesen werden. Signifikante Unterschiede wurden hingegen nicht gefunden.

Limitierend für die Interpretation der vorgelegten Ergebnisse ist möglicherweise die schmale Datenbasis von vierzig Videosequenzen und vier Ratern. Die Zuverlässigkeit der Skala für abgeschluckte Konsistenzen bspw. in der Funktionsprüfung mit Konsistenzen des FEES-Protokolls nach Langmore [7] ist ebenfalls wünschenswert. Insgesamt unterstreicht aber die beeindruckende Homogenität der erreichten Werte, dass es empfehlenswert ist, die Sekretbeurteilungsskala nach Murray in der hier vorgelegten deutschen Version in die Standardbewertung einer instrumentellen Befundbeurteilung zu integrieren.


Literatur

1.
Murray J, Langmore SE, Ginsberg S, Dostie A. The significance of accumulated oropharyngeal secretions and swallowing frequency in predicting aspiration. Dysphagia. 1996;11(2):99-103. DOI: 10.1007/BF00417898 External link
2.
Ota K, Saitoh E, Baba M, Sonoda S. The secretion severity rating scale: a potentially useful tool for management of acute-phase fasting stroke patients. J Stroke Cerebrovasc Dis. 2011 May-Jun;20(3):183-7. DOI: 10.1016/j.jstrokecerebrovasdis.2009.11.015 External link
3.
Rodrigues B, Nóbrega AC, Sampaio M, Argolo N, Melo A. Silent saliva aspiration in Parkinson's disease. Mov Disord. 2011 Jan;26(1):138-41. DOI: 10.1002/mds.23301 External link
4.
Easterling C, Antinoja J, Cashin S, Barkhaus PE. Changes in tongue pressure, pulmonary function, and salivary flow in patients with amyotrophic lateral sclerosis. Dysphagia. 2013 Jun;28(2):217-25. DOI: 10.1007/s00455-012-9436-7 External link
5.
Takahashi N, Kikutani T, Tamura F, Groher M, Kuboki T. Videoendoscopic assessment of swallowing function to predict the future incidence of pneumonia of the elderly. J Oral Rehabil. 2012 Jun;39(6):429-37. DOI: 10.1111/j.1365-2842.2011.02286.x External link
6.
Schmitt M, Eid M. Richtlinien für die Übersetzung fremdsprachlicher Messinstrumente. Diagnostica. 2007;53(1):1-2. DOI: 10.1026/0012-1924.53.1.1 External link
7.
Langmore S. Endoscopic Evaluation and Treatment of Swallowing Disorders. New York: Thieme Verlag; 2001.