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Alters- und geschlechtsspezifische Normwerte für Sprechstimmprofile in der Allgemeinbevölkerung: Erste Ergebnisse aus der Leipziger LIFE-Adult-Studie
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Published: | September 2, 2014 |
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Zusammenfassung
Hintergrund: Zur Beurteilung einer Stimmstörung und zur Verlaufskontrolle einer therapeutischen Maßnahme wird in der phoniatrischen Routineuntersuchung das Sprechstimmprofil erfasst. Zur Bestimmung wird die Messung von 4 unterschiedlichen Sprechintensitäten (leisestes Sprechen, Gesprächslautstärke, Vortragslautstärke und Rufstimme) empfohlen. Daten für alters- und geschlechtsspezifische Normwertbereiche des Sprechstimmprofils fehlen.
Material und Methoden: Im Rahmen der bevölkerungsbezogenen Studie für Erwachsene des Leipziger Forschungszentrums für Zivilisationserkrankungen (LIFE) wurde unter Verwendung von Standardarbeitsanweisungen (SOP) gemäß UEP-Norm an 2485 zufällig aus der Bevölkerung ausgewählten freiwilligen Probanden ein Sprechstimmprofil erstellt. Primär erfolgte eine deskriptive Analyse der Intensität und der Frequenz für (I) leisestes Sprechen, (II) Gesprächslautstärke, (III) Vortragslautstärke und (IV) Rufstimme. Mit Hilfe multivariater Regressionsmodelle wurden Assoziationen der Messparameter mit dem Alter und dem Geschlecht untersucht.
Ergebnisse: Insgesamt flossen Daten von 1326 weiblichen und 1159 männlichen Probanden zwischen 40-79 Jahren (ø 60,25 Jahre) in die Auswertung mit ein. Für die weiblichen Probanden ergaben sich folgende Mittelwerte: (I) 165 Hz/52.45 dB(A); (II) 166 Hz/58,84 dB(A); (III) 196,7 Hz/66,79 dB(A); (IV) 242,2 Hz/74,80 dB(A). Für die männlichen Probanden ergaben sich folgende Mittelwerte: (I) 109,9 Hz/52.77 dB(A); (II) 110,6 Hz/59,84 dB(A); (III) 128,9 Hz/67,82 dB(A); (IV) 171,3 Hz/77,47 dB(A). Bei Männern zeigte sich eine statistisch signifikante (p<0,001) Frequenzerhöhung mit zunehmendem Alter. Zudem zeigt sich bei beiden Geschlechtern eine Erhöhung der Intensität beim leisesten Sprechen und der Gesprächslautstärke und einer Absenkung der maximalen Intensität der Rufstimme mit zunehmendem Alter. Die Darstellung der erhobenen Daten im Streudiagramm ergibt eine signifikante geschlechtsabhängige Trennung der vier Sprechintensitäten nach Frequenz und Intensität.
Diskussion: Die Studie erlaubt erstmals die Definition von Normwertbereichen des Sprechstimmprofils in einer großen Bevölkerungsstichprobe. Die empfohlenen 4 verschiedenen Sprechintensitäten ermöglichen eine dezidierte Beurteilung des Sprechstimmprofils.
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Hintergrund
Zur Beurteilung einer Stimmstörung und zur Verlaufskontrolle einer therapeutischen Maßnahme wird in der phoniatrischen Routineuntersuchung das Sprechstimmprofil erfasst. Um eine reproduzierbare Datenqualität zu gewährleisten, sollten standardisierte Testbedingungen gemäß den Empfehlungen der UEP [1] gewährleistet sein. Neben der Einhaltung eines Mindestgeräuschpegels und einer Mund-Mikrofon-Entfernung von circa 30 cm wird die Messung von 4 unterschiedlichen Sprechintensitäten (leisestes Sprechen, Gesprächslautstärke, Vortragslautstärke und Rufstimme) empfohlen. Die Auswertung und Interpretation des Sprechstimmprofils erfolgt bisher hauptsächlich subjektiv und ist daher von der Erfahrung des Untersuchers sowie betreuenden Arztes abhängig. Daten für alters- und geschlechtsspezifische Normwertbereiche des Sprechstimmprofils fehlen oder beruhen auf wenig repräsentativen Gruppen. In der vorliegenden Studie wurden anhand einer sehr großen Probandenanzahl Daten des Sprechstimmprofils der Normalbevölkerung erhoben.
Material und Methoden
Im Rahmen der bevölkerungsbezogenen Studie für Erwachsene des Leipziger Forschungszentrums für Zivilisationserkrankungen (LIFE) wurde unter Verwendung von Standardarbeitsanweisungen (SOP) gemäß UEP-Norm an 2485 zufällig aus der Bevölkerung ausgewählten freiwilligen Probanden ein Sprechstimmprofil erstellt. Probanden mit eventuellen Einflussfaktoren, die die Stimmqualität erheblich beeinträchtigen, wie vorangegangene Kehlkopfoperationen oder akute Infekte, wurde durch einen Fragebogen detektiert und von der Untersuchung ausgeschlossen. Die Messung erfolgte mit dem Stimmprofil-Modul aus DiVAS (Digital Video Archive Software®, Version 2.4, XION medical GmbH, Berlin).
Für die statistische Auswertung erfolgte eine deskriptive Analyse der Intensität und der Frequenz für (I) leisestes Sprechen, (II) Gesprächslautstärke, (III) Vortragslautstärke und (IV) Rufstimme. Mit Hilfe multivariater Regressionsmodelle wurden Assoziationen der Messparameter mit dem Alter und dem Geschlecht untersucht.
Ergebnisse
Insgesamt flossen Daten von 1326 weiblichen und 1159 männlichen Probanden zwischen 40–79 Jahren (ø 60,25 Jahre) in die Auswertung mit ein.
Für die weiblichen Probanden ergaben sich folgende Mittelwerte: (I) 165 Hz/52.45 dB(A); (II) 166 Hz/58,84 dB(A); (III) 196,7 Hz/66,79 dB(A); (IV) 242,2 Hz/74,80 dB(A). Für die männlichen Probanden ergaben sich folgende Mittelwerte: (I) 109,9 Hz/52.77 dB(A); (II) 110,6 Hz/59,84 dB(A); (III) 128,9 Hz/67,82 dB(A); (IV) 171,3 Hz/77,47 dB(A) (Abbildung 1 [Abb. 1]).
Bei Männern zeigte sich eine statistisch signifikante (p<0,001) Frequenzerhöhung mit zunehmendem Alter. Zudem zeigt sich bei beiden Geschlechtern eine Erhöhung der Intensität beim leisesten Sprechen und der Gesprächslautstärke und einer Absenkung der maximalen Intensität der Rufstimme mit zunehmendem Alter. Die Darstellung der erhobenen Daten im Streudiagramm ergibt eine signifikante geschlechtsabhängige Trennung der vier Sprechintensitäten nach Frequenz und Intensität (Abbildung 2 [Abb. 2]).
Diskussion
Die Erfassung des Sprechstimmprofils gehört zu den diagnostischen Standardverfahren einer phoniatrischen Untersuchung. Gemeinsam mit dem Singstimmprofil lassen sich die Leistungsgrenzen des Stimmapparates definieren [2]. Bisherige Untersuchungen über das Sprechstimmprofil beschränken sich meist auf den Vergleich kleinerer Probandengruppen. Hierfür wurden häufig Veränderungen im Sprechstimmprofil unter einer bestimmten Therapie oder zwischen gesanglich erfahrenen und unerfahrenen untersucht [3], [4]. Fehlende Normwerttabellen führen jedoch zu einer eingeschränkten Aussagekraft des Sprechstimmprofils. Aufgrund des großen untersuchten Probandenkollektiv gelingt es alters- und geschlechtsspezifische Wertebereiche zu definieren. Die klare Trennung der Wertebereiche innerhalb der untersuchten 4 Sprechintensitäten bekräftigt den Untersuchungsablauf bei der Erfassung des Sprechstimmprofils. Somit ist eine genauere Analyse von Stimmstörungen möglich.
Fazit
Die Studie erlaubt erstmals die Definition von Normwertbereichen des Sprechstimmprofils für den Altersbereich von 40–80 Jahren. Die empfohlenen 4 verschiedenen Sprechintensitäten ermöglichen eine dezidierte Beurteilung des Sprechstimmprofils.
Anmerkung
Diese Publikation wurde gefördert durch LIFE – Leipziger Forschungszentrum für Zivilisationserkrankungen. LIFE wird finanziert aus Mitteln der Europäischen Union durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und aus Mitteln des Freistaates Sachsen im Rahmen der Landesexzellenzinitiative.
Literatur
- 1.
- Schutte HK, Seidner W. Recommendation by the Union of European Phoniatricians (UEP): standardizing voice area measurement/phonetography. Folia Phoniatr (Basel). 1983;35(6):286-8.
- 2.
- Hacki T. Tonhöhen- und Intensitätsbefunde bei Stimmgeübten. Vergleichende Sprechstimmfeld-, Rufstimmfeld- und Singstimmfeldmessung [Vocal capabilities of nonprofessional singers evaluated by measurement and superimposition of their speaking, shouting and singing voice range profiles]. HNO. 1999 Sep;47(9):809-15. DOI: 10.1007/s001060050464
- 3.
- LeBorgne WD, Weinrich BD. Phonetogram changes for trained singers over a nine-month period of vocal training. J Voice. 2002 Mar;16(1):37-43. DOI: 10.1016/S0892-1997(02)00070-X
- 4.
- Lycke H, Ivanova A, Van Hulle MM, Decoster W, de Jong FI. Discrimination of three basic male voice types by voice range profile-derived parameters. Folia Phoniatr Logop. 2013;65(1):20-4. DOI: 10.1159/000350492