gms | German Medical Science

31. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP) zusammen mit dem 5. Pädakustiker-Symposium der Akademie für Hörgeräte-Akustik

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

18.09. - 21.09.2014, Lübeck

ERKI: Erfassung des Richtungshörens bei Kindern – Erweiterungsmodul für die Überprüfung von Lokalisationsleistungen am Mainzer Kindertisch

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Katharina Schmidt - JADE Hochschule Oldenburg, Institut für Hörtechnik und Audiologie (IHA), Oldenburg, Deutschland
  • author Karsten Plotz - JADE Hochschule Oldenburg, Institut für Hörtechnik und Audiologie (IHA), Oldenburg, Deutschland
  • author Sven Kissner - JADE Hochschule Oldenburg, Institut für Hörtechnik und Audiologie (IHA), Oldenburg, Deutschland
  • author Jörg Bitzer - JADE Hochschule Oldenburg, Institut für Hörtechnik und Audiologie (IHA), Oldenburg, Deutschland
  • author Thomas Luhmann - JADE Hochschule Oldenburg, Institut für Angewandte Photogrammetrie und Geoinformatik (IAPG), Oldenburg, Deutschland
  • author Janna Pilinski - JADE Hochschule Oldenburg, Institut für Angewandte Photogrammetrie und Geoinformatik (IAPG), Oldenburg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Akademie für Hörgeräte-Akustik. 31. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP) zusammen mit dem 5. Pädakustiker-Symposium der Akademie für Hörgeräte-Akustik. Lübeck, 18.-21.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocV3

doi: 10.3205/14dgpp04, urn:nbn:de:0183-14dgpp043

Published: September 2, 2014

© 2014 Schmidt et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.en). You are free: to Share – to copy, distribute and transmit the work, provided the original author and source are credited.


Zusammenfassung

Hintergrund: Das Ziel des Forschungsprojektes ERKI ist die Entwicklung eines automatisierten Verfahrens zur Überprüfung des Richtungshörens bei hoher Winkelauflösung. Ein Schwerpunkt ist dabei die reproduzierbare und systematische Erfassung der akustischen Lokalisationsleistung, unabhängig von der Kopf- und Rumpfstellung des Probanden. Durch die Erzeugung von virtuellen Schallquellen besteht die Möglichkeit mit einer erhöhten Winkelauflösung zu messen. Das Diagnosesystem soll später als Ergänzung zu konventionellen Kinderaudiometrie-Anlagen in entsprechenden Einrichtungen eingesetzt werden.

Material und Methoden: Bei dem verwendeten Messaufbau, sind 5 Lautsprecher (0°, ±45°, ±90°; r=1m) im Halbkreis um das Kind aufgebaut (Mainzer Kindertisch). Dabei werden die Lautsprecher (LS) durch einen undurchsichtigen Akustikstoff verdeckt. Mit Hilfe von Laufzeit- oder Pegelunterschieden zwischen 2 LS werden virtuelle Schallquellen in 5°-Schritten erzeugt.

Die Messungen erfolgten mit verschiedenen Stimuli (Länge: 300 ms; Pegel: 65 dB SPL).

Im Bereich zwischen ±45° wurden die virtuellen Quellen entweder mit 2 LS (±45°-Position, symmetrische Anordnung) oder mit 3 LS (–45°-, 0°- und +45°-Position, asymmetrische Anordnung) erzeugt.

An den Messungen nehmen Kinder im Alter von 6 bis 13 Jahren teil. Die Aufgabe des Probanden besteht darin, mit Hilfe eines Drehreglers die wahrgenommene Position einer Schallquelle anzugeben. Eine unter der Sichtblende montierte LED-Lichtleiste ermöglicht dabei ein visuelles Feedback.

Ergebnisse: Bei den bisherigen Ergebnissen konnte eine hohe Übereinstimmung zwischen den angebotenen und angezeigten Schallrichtungen beobachtet werden, wobei sich die Lokalisation im vorderen Winkelbereich als präziser erweist.

Erfolgt die Generierung der virtuellen Schallquellen durch zwei symmetrisch bzw. asymmetrisch angeordnete LS, können bei den Lokalisationsleistungen im Bereich ±45° keine auffälligen Abweichungen festgestellt werden.

Eine ausführliche statistische Auswertung wird zum Ende der Untersuchungsreihe erfolgen.

Diskussion: Der Vergleich der verschiedenen LS-Anordnungen bestätigt die Verlässlichkeit und Präsentationsgüte des ERKI-Aufbaus. Generell zeigen die Ergebnisse, dass die Erfassung der Lokalisationsleistung an einem konventionellen Mainzer Kindertisch mit einer genaueren Winkelauflösung möglich ist.


Text

Hintergrund

Als Richtungshören wird die Fähigkeit bezeichnet, festzustellen woher ein bestimmtes Schallereignis kommt. Die akustische Lokalisation gehört somit zu den zentral-auditiven Prozessen des binauralen Hörens. In verschiedensten Alltagssituationen, wie z.B. im Straßenverkehr oder im Unterricht, wird die Lokalisationsfähigkeit vorausgesetzt, so dass sie bereits im Kindesalter von großer Bedeutung ist. Die Überprüfung der Lokalisationsfähigkeit bei Kindern erfolgt in Forschungseinrichtungen mit entsprechenden Apparaturen. Jedoch ist die derzeit mögliche messbare Winkelauflösung mit den konventionellen Kinderaudiometrie-Anlagen (Mainzer Kindertisch) sehr ungenau.

Das Ziel des Forschungsprojektes ERKI ist die Entwicklung eines automatisierten Verfahrens, das als Nachrüstung mit Mainzer Kindertischen die Überprüfung des Richtungshörens bei hoher Winkelauflösung ermöglicht. Ein Schwerpunkt ist dabei die reproduzierbare und systematische Erfassung der akustischen Lokalisationsleistung. Durch die Erzeugung von virtuellen Schallquellen besteht die Möglichkeit mit einer erhöhten Winkelauflösung zu messen (aktuell von 5°). Das Diagnosesystem soll später als Ergänzung zu konventionellen Kinderaudiometrie-Anlagen eingesetzt werden und an vorhandene Anlagen angepasst werden.

Material und Methoden

Der Messaufbau besteht aus fünf Lautsprechern (0°, ±45°, ±90°; r=1m), die im Halbkreis um das Kind angeordnet sind („Mainzer Kindertisch“, 5LS). Dabei werden die Lautsprecher (LS) durch einen gespannten, undurchsichtigen Akustikstoff verdeckt. Mit Hilfe von Laufzeit- (LoudSpeaker Time Difference, LSTD) oder Pegelunterschieden (LoudSpeaker Level Difference, LSLD) zwischen jeweils zwei benachbarten Lautsprechern werden virtuelle Schallquellen (in 5°-Schritten) erzeugt. Dementsprechend wurden bei den Messungen im Bereich zwischen ± 90° insgesamt 37 verschiedene Referenzwinkel (5 reale Schallquellen und 32 virtuelle Schallquellen) überprüft.

Die Messungen erfolgten mit verschiedenen Stimuli (weißes Rauschen, rosa Rauschen, gepulstes rosa Rauschen und einem Sprachausschnitt aus dem International Speech Test Signal (ISTS)), die jeweils eine Länge von 300 ms aufwiesen. Die Signale wurden stets mit einer 5 ms langen Flanke eines Hann-Fensters ein- und ausgeblendet. Kalibriert wurde am Bezugspunkt breitbandig auf einen Referenzpegel von 65 dB SPL.

Im Bereich zwischen ±45° wurden die virtuellen Quellen mit einer unterschiedlichen Anzahl von Lautsprechern erzeugt. Zum einen mit nur zwei Lautsprechern (–45° und +45° Position, 2LS), die symmetrisch angeordnet sind. Und zum anderen erfolgte die Generierung der virtuellen Schallquellen in diesem Bereich über drei Lautsprecher mit den Paaren –45° und 0° versus 0° und +45° (asymmetrische Anordnung, 3LS).

An den Messungen nahmen 38 Schulkinder im Alter von 6 bis 13 Jahren teil (Durchschnittsalter 9 Jahre). Jedes Kind führte zu Beginn einen Testdurchlauf mit rosa Rauschen durch, um sich an die Messmethode zu gewöhnen und offene Fragen zu klären. Sowohl die Abfolge der Stimuli als auch die Reihenfolge der Referenzwinkel erfolgte randomisiert. Im vorderen Halbkreis (–90° bis +90°) werden für jeden Stimulus die 37 Winkel und im Bereich zwischen ±45° 19 Winkel lokalisiert. Während eines Messdurchlaufes wurden die virtuellen Schallquellen entweder nur über LSLD oder nur über LSTD generiert, um Kontext-Effekte [1] zu minimieren. Die Aufgabe des Probanden besteht darin, mit Hilfe eines Drehreglers die subjektiv wahrgenommene Position einer Schallquelle anzugeben. Eine unter der Sichtblende montierte LED-Lichtleiste ermöglicht ein visuelles Feedback der vom Probanden angezeigten Richtung. Zudem wurde bei jedem Kind eine Otoskopie, eine Tympanometrie, ein Tonaudiogramm und eine Sprachaudiometrie (OLSA bzw. OLKISA) durchgeführt. Pro Kind lag der gesamte Zeitaufwand bei einem Messtermin bei max. zwei Stunden (inkl. individueller Pausen).

Ergebnisse

Bei den bisherigen Ergebnissen konnte eine hohe Übereinstimmung zwischen den angebotenen und gezeigten Schallrichtungen beobachtet werden. Ebenso ist erkennbar, dass die Lokalisation im vorderen Bereich genauer ist als lateral. Bei den gezeigten Richtungen, die realen Schallquellen entsprechen, scheint die Winkelabweichung größer zu sein, so dass sich treppenstufenartig angeordnete Verläufe ergeben (Abbildung 1 [Abb. 1]).

Werden die Lokalisationsleistungen im ±45° Bereich verglichen, bei denen die Generierung der virtuellen Schallquellen anhand von zwei symmetrisch bzw. asymmetrisch angeordneten Lautsprechern erfolgte (2LS versus 3LS, Abbildung 2 [Abb. 2]), können keine auffälligen Abweichungen festgestellt werden.

Diskussion

Die Erzeugung von virtuellen Schallquellen über ein symmetrisch angeordnetes Lautsprecherpaar (2LS) entspricht der typischen Stereo-Anordnung, die in der Literatur sehr gut beschrieben ist. Im Gegensatz dazu ist die Generierung von Phantomschallquellen über asymmetrisch angeordnete Lautsprecherpaare (3LS und 5LS) relativ selten dargelegt. Dementsprechend soll mit Hilfe der zwei unterschiedlichen Messmethoden im ±45°-Bereich die Richtigkeit der Erzeugung der Phantomschallquellen kontrolliert werden. Der Vergleich der verschieden LS-Anordnungen bestätigt die Verlässlichkeit und Präsentationsgüte des ERKI-Aufbaus.

Allgemein zeigen die Ergebnisse, dass die Erfassung der Lokalisationsleistung an einem konventionellen Mainzer Kindertisch mit der Nachrüstung mit einer geringeren Winkelauflösung möglich ist. Die Verwendung von unterschiedlichen LS-Anordnungen in einem Messaufbau, kann zu Problematiken führen, deren Auswirkung noch nicht vollständig geklärt werden konnte.

Da mit ansteigender Messdauer auch die Konzentrationsfähigkeit der Probanden nachlässt (gerade bei jüngeren Kindern), könnte dies einen Einfluss auf die Messergebnisse haben. Aus diesem Grund wird versucht die Stimuli-Auswahl zu optimieren und somit die Messzeit zu verkürzen. Ebenso werden weiterhin Messungen durchgeführt, so dass am Projektende Referenzwerte einer größeren Probandenanzahl vorliegen.


Literatur

1.
Plotz K, Schmidt K, Kissner S, Geldermann C, Bitzer J, Schönweiler R. ERKI – Erfassung des Richtungshörens bei Kindern – Entwicklung eines verbesserten Verfahrens durch Nutzung virtueller Quellen zur Erfassung des Richtungshörens bei Kindern am Mainzer-Kindertisch. In: Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 30. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Bochum, 20.–22.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocV39. DOI: 10.3205/13dgpp81 External link
2.
Pulkki V. Virtual source positioning using vector base amplitude panning. J Audio Eng Soc. 1997;45(6):456–66.
3.
Plotz K. Lokalisation virtueller Quellen am modifizierten Mainzer-Kindertisch bei Erwachsenen und Kindern [Posterbeitrag]. 17. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie (DGA). Oldenburg, 12.–15.03.2014.