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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Brachytherapie beim Prostata-Ca: Evaluationspotential von GKV-Routinedaten

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Dirk Horenkamp-Sonntag - WINEG, Hamburg, Germany
  • Susanne Engel - WINEG, Hamburg, Germany
  • Roland Linder - WINEG, Hamburg, Germany
  • Frank Verheyen - WINEG, Hamburg, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocPO3-3-08-57

doi: 10.3205/13dkvf247, urn:nbn:de:0183-13dkvf2478

Published: October 25, 2013

© 2013 Horenkamp-Sonntag et al.
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Text

Hintergrund: Die häufigste Krebserkrankung bei Männern ist das Prostata-Carcinom. Jährlich erkranken daran in Deutschland ca. 60.000 Männer, wobei die 5-Jahres-Überlebensrate in Deutschland zwischen 83% und 94% liegt. Die Therapie erfolgt stadienabhängig und kriterienorientiert, wobei zwischen lokal begrenztem, lokal fortgeschrittenem und metastasiertem Prostata-Ca in Abhängigkeit von Gleason-Score und PSA-Wert differenziert wird. Nur für lokal begrenzte Tumore existieren kurative Therapieverfahren. Seit Anfang des Jahres ist hierzu die komplexe Langzeitstudie (PREFERE) gestartet, die in den nächsten 18 Jahren bei einem Finanzierungsvolumen von 24,9 Millionen Euro versucht, bei (geplanten) 7.600 Patienten die therapeutischen Optionen des Prostatakarzinoms miteinander zu vergleichen.

Methodik: Das WINEG hat sich vor diesem Hintergrund die Frage gestellt, inwieweit auf Basis von GKV-Routinedaten differenzierte versorgungsforschungsrelevante Aussagen zur Therapie des Prostata-Ca für lokal begrenzte Tumorentitäten getroffen werden können.

Im TK-Versichertenkollektiv wurde für die Indikation Prostata-Ca auf Basis von GKV-Routinedaten zunächst untersucht, welche Versicherten seit wann eine Prostata-Ca-Diagnose haben. Anschließend wurde im zeitlichen Verlauf analysiert, wer von den Versicherten wann welche potentiell kurative Therapie unter Berücksichtigung möglicher Präferenzen erhalten hat. Da in GKV-Routinedaten klinische Angaben zu Tumorstadium und Prognosefaktoren fehlen, wurde eine neuartige Methodik mit therapiespezifischen multisektoralen Kriterien entwickelt, mit der sich beim Prostata-Ca lokalisierte von fortgeschrittenen Tumoren differenzieren lassen.

Ergebnisse: Im Zeitverlauf 2006 bis 2011 konnten von 7.976.381 Versicherten bei 87.822 Versicherten die Diagnose Prostata-Ca identifiziert werden. Durch Ausschluss von Versicherten mit fehlenden bzw. inplausiblen Angaben hinsichtlich Alter und Geschlecht hat sich das Ausgangskollektiv um 10,8% auf 78.313 Versicherte reduziert. Durch Anwendung indirekter Ausschlusskriterien (z.B. in Form von ATC-Kodierungen für palliativtherapeutische Maßnahmen) wurden insgesamt 10.525 Versicherte (13,4%) ausgeschlossen, so dass 67.788 Versicherte verblieben, bei denen ein potentiell kurativ heilbares Prostata-Ca vorlag. Von diesen wurden Versicherte mit permanenter interstitiellen Brachytherapie (795), radikaler Prostatektomie (10.936) und externer Strahlentherapie (1.925) detaillierter analysiert: über alle Gruppen hinweg trat in 19,4% der Fälle ein Rezidiv-Ereignis innerhalb des Beobachtungs-zeitraums auf und in 2,4% der Fälle ein Todesereignis, wobei das Gesamt-Überleben bei der Prostatektomie (98,0%) etwas höher als bei der Brachytherapie (97,1%) und der Strahlentherapie (95,4%) war. Bei der Analyse Prostata-Ca-spezifischer Nebenwirkungen zeigt sich, dass diese prä-interventionell sehr zahlreich vorhanden waren, wobei Darmtrakt-Nebenwirkungen (23,8%) sowie sexuelle Beeinträchtigungen (26,5%) bei Versicherten mit externer Strahlentherapie viel häufiger waren als bei radikaler Prostatektomie (17,1% / 14,8%) und Brachytherapie (16,4% / 13,2%), hingegen Harntrakt-Nebenwirkungen vor Durchführung einer Strahlentherapie deutlich seltener (²-Test, p<0.0001).

Diskussion: Mit GKV-Routinedaten können durch adäquate Operationalisierung wichtige Erkenntnisse zu versorgungsforschungsrelevanten Aspekten beim Prostata-Ca generiert werden. Diese reichen aber wegen zahlreich vorhandener methodischer Limitationen nicht aus, um valide Aussagen zur vergleichenden Nutzenbewertung beim lokal begrenztem Prostata-Ca zu treffen. Da prä-interventionell die Prostata-Ca spezifische Morbidität unterschiedlich zwischen den drei verschiedenen Behandlungsgruppen verteilt ist, kann man davon ausgehen, dass die Zuordnung zu den therapeutischen Interventionen durch medizinische Eingangsvoraussetzungen der Versicherten in Kombination mit individuellen Patientenpräferenzen mitbeeinflusst ist. Deshalb ist in GKV-Routinedaten insbesondere für die Fokussierung auf lokal begrenzte Tumorstadien und die Zuordnung zu verschiedenen Therapieoptionen die Kenntnis über klinische Angaben (PSA-Werte, TNM-Klassifikation, Gleason-Score etc.) unverzichtbar, um homogene Versichertenkollektive selektieren zu können.

Schlussfolgerung: Aufgrund spezifischer Limitationen von GKV-Routinedaten beim Krankheitsbild Prostata-Ca sind Pri-märdatenerhebungen im Rahmen randomisierter kontrollierter Studien zwingend erforderlich, um vergleichende Aussagen zum Nutzen auf methodisch hohem Niveau treffen zu können.

Die bei der Realisierung klinischer Studien oft vorhandenen Probleme hinsichtlich Rekrutierung und langer Nachbeobachtungszeit könnten ggf. reduziert werden, wenn im Rahmen eines Daten-Linkage GKV-Routinedaten bei Parametern mit hoher externer Validität (z.B. Todesereignisse) die Primärdatenerhebungen ergänzen.


Literatur

1.
HTA-Bericht von Bundesärztekammer und KBV
2.
S3-Leitlinie zum Prostata-Ca
3.
IQWiG-Abschlussbericht
4.
IQWiG- Rapid Report
5.
Studienkonzeption PREFERE