gms | German Medical Science

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Personalkosten bei der ambulanten Versorgung von Demenzpatienten

Meeting Abstract

Search Medline for

  • Julia Zwingmann - Lehrstuhl für ABWL und Gesundheitsmanagement, Greifswald, Germany
  • presenting/speaker Grit Aßmann - Lehrstuhl für ABWL und Gesundheitsmanagement, Greifswald, Germany
  • Steffen Fleßa - Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen, Greifswald, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocPO3-3-04-266

doi: 10.3205/13dkvf243, urn:nbn:de:0183-13dkvf2436

Published: October 25, 2013

© 2013 Zwingmann et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.en). You are free: to Share – to copy, distribute and transmit the work, provided the original author and source are credited.


Outline

Text

Hintergrund: Derzeit leben in Deutschland rund 1,2 Millionen Menschen mit einer Demenzdiagnose. Prognosen gehen von einem Anstieg auf bis zu 2,6 Millionen im Jahr 2050 aus. 2011 wurden 2,5 Millionen Pflegebedürftige registriert, wobei die Altersklasse der 85- und 90- Jährigen mit etwa 21 % den höchsten Anteil an der Gesamtheit der Pflegebedürftigen aufweist. Die Demenzprävalenzrate dieser Gruppe beläuft sich auf ca. 22,6 %. Seit dem Jahr 1999 ist die Anzahl an pflegebedürftigen Personen, die durch einen ambulanten Pflegedienst versorgt werden, um knapp 39 % gestiegen, sodass 2011 12.349 ambulante Versorgungseinrichtungen deutschlandweit tätig waren.

Die Vergütung der Pflegedienste erfolgt gemäß SGB XI unabhängig vom Vorhandensein einer Demenzdiagnose. Die vorliegende Analyse untersucht (i) in welcher Höhe ein zeitlicher und finanzieller Mehraufwand bei der ambulanten Versorgung von Menschen mit Demenz entsteht und (ii), ob die für den Pflegedienst unabhängig von der Demenzdiagnose bestehenden Vergütungen die anfallenden Kosten decken.

Methodik: Die Ergebnisse dieser Studie basieren auf einer Zeitmessstudie in einem ambulanten Pflegedienst (Mecklenburg-Vorpommern) aus dem Jahr 2012. Aus den Pflegestufen I, II und III wurde jeweils eine Person mit und ohne Demenzdiagnose eingeschlossen. Faktoren wie Alter, Geschlecht und Komorbiditäten wurden bei der Auswahl berücksichtigt.

Über einen Zeitraum von vier Wochen wurden die Studienteilnehmer begleitet und die entstandenen Zeitwerte pro Tätigkeit [min] dokumentiert. Dabei wurden auch zeitliche Aufwände erfasst, die nicht in den fest definierten und tatsächlich vergüteten Tätigkeitskomplexen festgelegt sind. Hierzu zählen bspw. erläuternde Gespräche oder eine besonders intensive Zuwendung bei den Pflegebedürftigen mit Demenzdiagnose. Die zur Kostenermittlung benötigten Arbeitgeberlöhne für Pflegekräfte und Pflegehilfskräfte wurden vom Träger des Pflegedienstes bereitgestellt.

Als Grundlage für die Ermittlung der Vergütungen der einzelnen Leistungen wurden die zum Zeitpunkt der Datenerhebung geltenden Vergütungen pro Leistungskomplex der Pflegeversicherung des Landes Mecklenburg- Vorpommern verwendet.

Durch den direkten Vergleich von entstandenen Kosten pro Minute und gezahlten Vergütungen konnten die Deckungsspannen analysiert, sowie anschließend zwischen beiden Gruppen verglichen werden.

Ergebnisse: Bei den Studienteilnehmern ohne Demenzdiagnose entstanden Personalkosten in Höhe von € 221,10. Die Erlöse beliefen sich auf € 106,49, sodass 54,3 % der Kosten nicht gedeckt wurden. In der Studienpopulation mit Demenzdiagnose (Kosten: € 273,27, Erlöse: € 136,31) betrug diese Unterdeckung 50,1 %. Insgesamt entfielen 55,0 % der Personalkosten auf die Gruppe der Patienten mit Demenzdiagnose. Es ist feststellbar, dass die Kosten mit steigender Pflegestufe (PS I: € 121,03, PS II: € 172,13, PS III: € 201,22) wachsen. Gleichzeitig erhöhen sich die Erlöse jedoch nicht im gleichen Maße, sodass auch die Differenz aus Kosten und Erlösen mit der Pflegestufe größer wird (PS I: € - 60,08, PS II: € - 77,98, PS III: € - 113,51).

Diskussion/Schlussfolgerung: Die Personalkosten für die Versorgung der Menschen mit Demenz liegen 10,6 % höher als bei der Gruppe ohne Demenzerkrankung. Die Differenz ist auf einen höheren zeitlichen Aufwand bei der pflegerischen Versorgung zurückzuführen. Auch bei Tätigkeiten, die nicht durch reglementierte Leistungskomplexe vergütet werden (z. B. Kommunikation mit dem Pflegebedürftigen), ist der Aufwand in der Demenzkohorte wesentlich höher (2:07:38 h vs. 3:03:16 h).

Unabhängig von der Demenzerkrankung und der vorliegenden Pflegestufe werden die entstehenden Personalkosten des Pflegedienstes nicht gedeckt, sodass eine Quersubventionierung aus anderen Bereichen angestrebt werden muss.

Auf Grund der geringen Teilnehmerzahl und Studiendauer sind die vorliegenden Ergebnisse lediglich als Anhaltspunkt mit geringer Evidenz zu bewerten. Nichtsdestotrotz leistet die vorliegende Studie einen ersten wichtigen Beitrag zur Evaluation der ökonomischen Situation von ambulanten Pflegediensten. Empfohlen werden weitere Forschungen, die bspw. auch Wegepauschalen für Fahrten zu den Pflegebedürftigen, den Einsatz von Ge- und Verbrauchsmaterialien sowie die informelle Pflege durch Angehörige berücksichtigen.