gms | German Medical Science

31. Jahrestagung der Deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft für Verbrennungsbehandlung (DAV 2013)

16.01. - 19.01.2013, Mayrhofen, Österreich

Starkstromunfall, Unterschenkel-Amputation und Mixed Pain – Wie schafft man sozialen Reintegration und neuen Lebensperspektiven?

Meeting Abstract

Search Medline for

  • H. Ziegenthaler - Moritz Klinik, Reha-Zentrum für Brandverletzte, Bad Klosterlausnitz, Deutschland

Deutschsprachige Arbeitsgemeinschaft für Verbrennungsbehandlung. 31. Jahrestagung der Deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft für Verbrennungsbehandlung (DAV 2013). Mayrhofen, Österreich, 16.-19.01.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. Doc13dav64

doi: 10.3205/13dav64, urn:nbn:de:0183-13dav641

Published: February 19, 2013

© 2013 Ziegenthaler.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.en). You are free: to Share – to copy, distribute and transmit the work, provided the original author and source are credited.


Outline

Text

Ziel: An Hand eines Case-Report werden die Möglich- und Notwendigkeiten einer integrierten schmerztherapeutischen und rehabilitativen Komplexbehandlung bei schwer Brandverletzten mit ausgeprägter Schmersymptomatik dargestellt.

Einleitung: Verletzungen an anatomisch-nozizeptiven sowie neuronalen Strukturen führen zu einem als Warnsignal zu verstehenden, subjektiv sehr differenziert wahrgenommenen subjektiven Körpergefühl – dem Schmerz. Weit aus seltener als angenommen, stellen sich schwer beherrschbare Schmerzsyndrome als Problem in der postakuten Versorgungssituation Brandverletzter dar.

Ein 41-jähriger sportlich sehr aktiv (Wandern, Reiten, Tauchen, Angeln), leitender Angestellter eines Großunternehmens verunfallte durch Kontakt zu einer 15.000 Volt führenden Überlandleitung. Hierdurch Lichtbogen-Verbrennung an beiden Beinen, Armen und Händen, am Rumpf sowie der linken Schulter, insgesamt an 40% der Körperoberfläche. Linksseitig war primär die Resektion des N. medianus erforderlich, später erfolgte die Rekonstruktion mit N. saphenus-Interponat möglich. Nach Abschluss der Akutversorgung wurde eine Früh-Rehabilitation eingeleitet.

Methodik: Alle alltagsrelevanten Tätigkeiten, das Schlafen, die Verbandswechsel sowie die essentielle Bewegungstherapien waren durch einen exzessiv empfundenen Schmerz stark limitiert. Mittels geeigneter Assessmentverfahren wurden Schmerzempfinden und -qualität, gesundheitsbezogene Lebensqualität und depressive Symptomatik analysiert sowie Behandlungsoptionen darauf abgestimmt. Dieser Prozess, der Rehabilitationsverlauf sowie ein Ein-Jahres-Follow up werden berichtet.

Ergebnisse: Bei Anreise war auf der Numerische Rating-Skala (NRS) zur Erfassung des Schmerzempfindens (0...kein Schmerz; 100 ... maximal ertragbarer Schmerz) ein Dauerschmerz mit 70–80 und zusätzliche häufige Schmerzattacken mit 90–100 zu detektieren. Der PAINdetect stellt eine praktische Diagnosehilfe dar und ein Screening auf das Vorliegen von neuropathischen Schmerzen erlaubt. Mit 34 von 38 Punkten war eine neuropathische Schmerzkomponente (mit >90%) wahrscheinlich. Der SF-36v2® Health Survey ist ein kurzes, präzises und zugleich umfassendes Messinstrument zur Bestimmung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität in der klinischen Praxis und Forschung. Im Eingangs-Scoring zeigt der Summenscores für physische (PCS; 18,8) und mentale Gesundheit (MCS; 21,6) im Vergleich mit einer alters- und geschlechtskorrelierten deutschen Vergleichsgruppe deutlich erniedrigte Werte auf. Insbesondere im physischen Bereich und bei Schmerz beläuft sich die Veränderung um mehr als zwei Standardabweichungen. Psychopathologisch überwogen depressive Symptome mit reduziertem Antrieb, Affektlabilität, Schuldgefühlen, Schlafstörungen, Zukunfts- und Versagensängsten bei klarer Distanzierung von suizidalen Ideen und Handlungsabsichten. Entsprechend dem Beck-Depressions-Inventar (BDS) bestand bei 19 Punkten eine klinisch relevante Depression.

Ein negativer Zusammenhang zwischen den Schmerzen und der körperlichen Leistungsfähigkeit sowie zwischen der Behinderung und der körperlichen Leistungsfähigkeit war zu belegen. Die psychische Gesundheit korrelierte mäßig negativ mit Schmerzen, Beschwerden und Behinderungen.

Nach äquivalenzadaptierter Umstellung der Opioidmedikation war eine rasche und intensive Verbesserung des Dauer- und Durchbruchschmerzempfindens (Senkung des Schmerzempfindens um 66% beim Dauerschmerz) bei gleichbleibender Schmerzqualität eingetreten. Bekannte medikationsabhängige Nebenwirkungen wurden nur kurzzeitig und in leichter Ausprägung beobachtet. In der subjektiven Bewertung des Patienten hat sich der Gesamtzustand am Ende der Rehabilitation und auch im Follow up nach einem Jahr sehr stark bezüglich des Schmerzes, von Mobilität und Teilhabefähigkeit verbessert.

Schlussfolgerung: In der Bewertung des geklagten Schmerzempfindens ist es wichtig, zunächst dessen Objektivierbarkeit zu prüfen, beeinflussende strukturelle Veränderungen sowie die Kontextfaktoren aus dem biopsychosozialen Umfeld zu identifizieren. Nur so kann eine kausale, wirksame und vor allem teilhabeorientierte schmerztherapeutische Behandlung veranlasst werden.