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26. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

11.09. - 13.09.2009, Leipzig

Welche Faktoren tragen zum Erfolg einer Cochlea-Implantat-Versorgung im Kindesalter bei?

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  • corresponding author Philippe Ploch - Schwerpunkt Kommunikationsstörungen der Universität Mainz, Mainz, Deutschland
  • author presenting/speaker Annerose Keilmann - Schwerpunkt Kommunikationsstörungen der Universität Mainz, Mainz, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 26. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Leipzig, 11.-13.09.2009. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2009. Doc09dgppP07

doi: 10.3205/09dgpp19, urn:nbn:de:0183-09dgpp197

Published: September 7, 2009

© 2009 Ploch et al.
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Zusammenfassung

Einleitung: Um den Erfolg einer Cochlea-Implantat (CI)-Versorgung gut vorhersagen zu können, ist es wichtig zu wissen, welche Faktoren den größten Einfluss auf den Spracherwerb bzw. das Sprachverstehen und Sprechen haben.

Methode: Untersucht wurden 56 Kinder im Alter von 5;00 bis 6;11 Jahren. Endpunkte waren die Sprachentwicklung und das Sprachverstehen, die anhand des Reynell-Testes bzw. sprachaudiometrisch erfasst und in Bezug zu der Güte der Hörgeräteversorgung, frühpädagogischen und elterlichen Förderung vor CI-Ersteinstellung sowie dem Alter bei CI-Ersteinstellung gesetzt wurden.

Ergebnisse: Den größten Einfluss auf das Sprachentwicklungsalter und Sprachverstehen zeigt in unserer Untersuchung das Alter bei CI-Versorgung. Es zeigte sich aber auch ein signifikanter positiver Einfluss der Güte der elterlichen und frühpädagogischen Förderung sowohl auf das Sprachentwicklungsalter als auch auf das Sprachverstehen. Die Güte der Hörgeräteversorgung hat keinen signifikanten Einfluss auf das Sprachverstehen oder die Sprachentwicklung.

Schlussfolgerung: Unsere Untersuchung bestätigt damit Ergebnisse von Moeller [7], dass die Güte der elterlichen Förderung ein sehr wichtiger Einflussfaktor für die Entwicklung der Sprache bei Kindern mit einer Hörstörung ist und macht deutlich, dass neben einer frühen CI Versorgung auch schon vor dieser eine intensive Zusammenarbeit aller Beteiligten wie Ärzten, Audiologen, Pädagogen, Logopäden und Eltern angestrebt werden sollte.


Text

Einleitung

Hörstörungen sind weltweit die häufigste angeborene Behinderung bei Kindern; in Deutschland liegt die Prävalenz mit 1,2 von 1000 Neugeborenen im unteren Bereich [5].

Bei etwa einem Viertel der konnatal schwerhörigen Kinder ist der Hörverlust so ausgeprägt, dass Cochlea Implantate (CI) indiziert sind.

Um den Erfolg einer CI-Versorgung gut vorhersagen zu können, ist es wichtig zu wissen, welche Faktoren den Spracherwerb bzw. das Sprachverstehen und Sprechen mit CIs beeinflussen.

Eine Studie von Moeller [7], in der Ausgangsvoraussetzungen für eine optimale Hörgeräteversorgung untersucht wurden, zeigte überraschenderweise, dass die Einbindung der Familie für den Spracherwerb wesentlicher ist als der Grad der Schwerhörigkeit der untersuchten Kinder. Connor [4] fand, dass es eher auf technische Aspekte wie möglichst neue CI-Modelle und eine große Anzahl von aktivierten Elektroden ankommt. Andere Studien (z.B. [6]) weisen darauf hin, dass das Alter bei CI-Versorgung den wesentlichsten Einfluss auf den Erfolg der Therapie hat. Eine Studie von Bø Wie [2] ergab, dass die nonverbale Intelligenz des Kindes und die tägliche Tragedauer des CIs den größten Einfluss auf den Erfolg einer CI-Versorgung hat.

Methodik

Wir analysierten daher retrospektiv die Daten von Kindern aus dem Patientenkollektiv der Universitätsmedizin Mainz um zu sehen, welche Ausgangsvariable hier den größten Effekt auf den Erfolg einer CI-Therapie hat. Einschlusskriterien waren: CI-Versorgung vor dem 4. Geburtstag und mindestens ein Jahr Hörerfahrung mit CI bei Testung. Alle Kinder, bei denen zwischen 5;00 und 6;11 Jahren die Skalen für das Sprachverständnis des Reynell-Tests und eine Sprachaudiometrie durchgeführt wurden, wurden in die Studie eingeschlossen. Dies waren 56 Kinder. Die Ursache der Hörstörung war bei acht Kindern gesichert genetisch, bei vier Kindern konnatale Infektionen sowie in zwei Fällen Meningitis. Bei fünf Kindern fanden sich andere Ursachen (wie z.B. perisynaptische Audiopathie, Plazentainsuffizienz) und bei 37 Kindern blieb die Ursache unklar.

Den Erfolg der CI-Versorgung erfassten wir anhand des Sprachverständnisses der Kinder im Reynell-Test bzw. sprachaudiometrisch (Mainzer Kindersprachtest I bis III und Göttinger Kindersprachtest I und II). Da nicht alle Kinder aufgrund ihrer Hör- bzw. Sprachstörungen mit einem ihrem Alter angemessenen Sprachhörtest getestet werden konnten, wurden die Ergebnisse der Kinder, die mit einem für ihr Alter zu einfachen Test untersucht wurden, prozentual so korrigiert, dass die Ergebnisse der sprachaudiometrischen Testungen altersunabhängig vergleichbar sind. Außerdem wurde ein Dysgrammatismus- und Lautbildungsbefund erstellt. Die Ergebnisse der Testungen setzten wir dann in Bezug zu der Güte der Hörgeräteversorgung vor CI-Versorgung, der Güte der frühpädagogischen und elterlichen Förderung vor CI-Ersteinstellung sowie dem Alter bei CI-Ersteinstellung. Die Güte der Hörgeräteversorgung, der frühpädagogischen und der elterlichen Förderung wurde durch eine erfahrene Fachärztin für Pädaudiologie geratet.

Ergebnisse

Den größten signifikanten (Signifikanzniveau p=0,001) Einfluss auf das Sprachverständnisalter im Reynell-Test (Korrelation nach Pearson r=–0,456) und Sprachverstehen in der Sprachaudiometrie (Korrelation nach Pearson r=–0,445) zeigte in unserer Untersuchung das Alter bei CI-Versorgung (Abbildung 1 [Abb. 1]). Es zeigte sich aber auch ein signifikanter (p<0,01) positiver Einfluss der Güte der frühpädagogischen Förderung (Abbildung 2 [Abb. 2]) sowohl auf das Sprachverständnisalter (Korrelation nach Pearson r=–0,35) als auch auf das Sprachverstehen (Korrelation nach Pearson r=–0,32). Auch die Güte der elterlichen Förderung wirkte sich auf die Ergebnisse des Reynell-Testes (r=–0,304, Korrelation nach Pearson) bzw. der Sprachaudiometrie (r=–0,328) statistisch signifikant (p=0,05) aus. Die Güte der Hörgeräteversorgung vor CI-Versorgung hatte keinen signifikanten Einfluss auf das Sprachverstehen oder die Sprachentwicklung, wohl aber auf die Lautbildung (Korrelation nach Pearson r=0,280 bei einem Signifikanzniveau von p=0,05). Andere Zusammenhänge erreichten keine statistische Signifikanz.

Diskussion

Unsere Untersuchung bestätigt damit Ergebnisse von Moeller [7], dass die Güte der elterlichen Förderung ein sehr wichtiger Einflussfaktor für die Entwicklung der Sprache bei Kindern mit einer Hörstörung ist und macht deutlich, dass neben einer möglichst frühen CI-Versorgung auch schon vor dieser eine intensive Zusammenarbeit aller Beteiligten wie Ärzten, Audiologen, Pädagogen, Logopäden und Eltern angestrebt werden sollte.

In Folgeuntersuchungen könnte die Güte der elterlichen Förderung weiter differenziert werden, da sich hier Faktoren wie Mehrsprachigkeit, Familiengröße, Bildungsstatus, tägliche Tragedauer des CIs u.a. subsumieren.


Literatur

1.
Biesalski P, et al. Der Mainzer Kindersprachtest. HNO 1974;22:160-1.
2.
Bø Wie O, et al. Children with a cochlear implant: Characteristics and determinants of speech recognition, speech-recognition growth rate, and speech production. International Journal of Audiology 2007;46:232-43.
3.
Chilla R, et al. Der Göttinger Kindersprachverständnistest. HNO 1976;24(10):342-6.
4.
Connor CM, et al. Speech, vocabulary, and the education of children using cochlear implants: oral or total communication? Journal of Speech, Language and Hearing Research 2000;43(5):1185-204.
5.
Gross M, et al. Angeborene Erkrankungen des Hörvermögens bei Kindern. HNO 1998;48:879-886.
6.
Lesinski-Schiedat A, et al. Kochleaimplantation bei Kindern im 1. Lebensjahr. HNO 2005;54:565-72.
7.
Moeller MP. Early intervention and language development in children who are deaf and hard of hearing. Pediatrics 2000;106:e43.