Titel: Evaluation von Koronarstenosen in der postmortalen Angiographie
Sprache: Deutsch
Autor*in: Turra, Sebastiana Johanna
Schlagwörter: Multi-Phase Postmortem Computer Tomography Angiography; Postmortale Computertomographie; Postmortale Koronarangiographie; Koronarstenose; Postmortem Computed Tomography Angiography; Koronarthrombose
GND-Schlagwörter: KoronarographieGND
RechtsmedizinGND
StenoseGND
HistologieGND
KoronararterieGND
ObduktionGND
KontrastmittelGND
Erscheinungsdatum: 2021
Tag der mündlichen Prüfung: 2022-01-24
Zusammenfassung: 
EINLEITUNG
Schon 1500 n. Chr. wurden erste Versuche zur Darstellung des menschlichen Gefäßsystems durchgeführt, die Einführung der Computertomographie Mitte des 20. Jahrhunderts jedoch revolutionierte postmortale Untersuchungsmethoden. Zwei heutzutage wichtige Verfahren sind dabei das Schnittbildverfahren der PMCT und die die PMCT durch die Gabe von Kontrastmittel ergänzende PMCTA (Schoenmackers 1960; Wüllenweber et al. 1977; Cafarelli et al. 2019; Grabherr et al. 2014; Bornik et al. 2019). Es bestehen jedoch Darstellungsprobleme wie Kontrastmittelaustritt, inhomogene Kontrastmittelfüllung oder Kontrastmittelüberlagerungen (Roberts et al. 2012; Morgan et al. 2013).
Ziel dieser Arbeit ist ein Erkenntnisgewinn über die Aussagekraft der seit 2012 beschriebenen Methode der MPMCTA (Multi-Phase Postmortem Computer Tomography Angiography) im Bereich der Koronarangiographie im Vergleich zum bisher gängigen Goldstandard der makroskopischen Beurteilung bei konventioneller Autopsie in Kombination mit einer histologischen Gewebsuntersuchung. Hierbei stellt sich im Rahmen einer explorativen Studie die Frage, ob die postmortale Koronarangiographie eine ähnlich hohe Aussagekraft aufweist. Zusätzlich erfolgt eine Analyse der Stärken und Schwächen der Methoden.

MATERIAL UND METHODIK
Der erste Abschnitt dieser Arbeit ist eine deskriptive Querschnittsanalyse von 126 nach einem zuvor entwickelten Protokoll ausgewerteten postmortalen Angiographien der Koronararterien. Ein zweiter, experimenteller sowie prospektiver Teil der Arbeit vergleicht exemplarisch 14 der zuvor angiographisch ausgewerteten Fälle mit dem aktuellen Goldstandard der Autopsie sowie einer histologischen Auswertung und Vermessung von während der Autopsie entnommenen Gefäßproben. Hierzu wurden insgesamt 15 Gefäßproben aus fünf verschiedenen Herzen entnommen. Aus den 15 Gefäßproben entstanden insgesamt 22 histologische Präparate (n Gesamtzahl analysierter MPMCTA = 126, n Gesamtzahl obduzierter Fälle = 14, n Gesamtzahl der Fälle mit Probenentnahme = 5, n Gesamtzahl entnommener Gefäßproben = 15, n Gesamtzahl histologischer Präparate = 22).

ERGEBNISSE
A) Retrospektive Querschnittsstudie: Die MPMCTA zeigte in der dynamischen Phase wie erwartet mehr Normalbefunde (definiert durch eine methodisch gute Darstellung des Gefäßes ohne das Auftreten von Füllungsdefekten) als in der arteriellen Phase (dynamische Phase: 60,3%, arterielle Phase: 48,9%). Höhergradige Stenosen (Grad 2 und 3) zeigten sich insbesondere in LCA und RIVA (dynamische Phase Grad 2: 30,3% RCA/RIP, 22,2% RCX, 47,5% LCA/RIVA, dynamische Phase Grad 3: 14,3% RCA/RIP, 24,2% RCX, 63,6% LCA/RIVA) und Grad 3 Stenosen traten insgesamt am seltensten auf (dynamische Phase Grad
1: 50,4%, Grad 2: 37,2%, Grad 3: 12,4%). Stenosen waren entsprechend klinischer Erkenntnisse am häufigsten exzentrisch unter 2 mm Durchmesser (dynamische Phase: 82,3%). Konzentrische Kalzifikationen traten zwar deutlich seltener auf als exzentrische Kalzifikationen, dafür aber insbesondere bei hochgradigen Stenosen (dynamische Phase Grad 3: 17 Stenosen konzentrisch, 20 Stenosen exzentrisch). Füllungsdefekte traten vor allem repetitiv auf und die Anzahl an Defekten sank ebenfalls wie zuvor vermutet in der dynamischen Phase. Beurteilungsprobleme ergaben sich zudem aus begrenzter Auflösung (ungünstiges Signal-Rausch-Verhältnis / reduzierte Ortsauflösung) oder Kontrastmittelaussparungen. In der Koronarsektion konnten etwa 80% der Ergebnisse der Angiographie (bezogen auf die Anzahl und die Schweregradeinschätzung von als Stenose interpretierten Hinweisen) komplett oder größtenteils bestätigt werden (komplette Übereinstimmung von Stenoseanzahl und Stenosegrad: jeweils 38,1%, entsprechend n = 16 Gefäße, Übereinstimmung größtenteils bei Stenoseanzahl (also Abweichung um maximal eine Stenose): 38,1%, n = 16 Gefäße, beim Stenosegrad (also Abweichung bei maximal einer Stenose um einen Stenosegrad) 40,5%, n = 17 Gefäße). In nur einem Fall (2,4% bei n = 42 untersuchten Gefäßen) stimmte die Anzahl der Stenosen in der Koronarsektion in keinem Kriterium mit der Koronarangiographie überein. Es gab jedoch in keinem Fall eine komplett fehlende Übereinstimmung des Stenosegrades. Von acht in der Sektion festgestellten kritischen Stenosen (Grad 3) lagen in der Angiographie in vier Fällen ein Kontrastmittelabbruch vor und in einem Fall konnte der Stenosegrad in der Angiographie durch eine zu geringe Kontrastierung und damit einhergehend niedrige Auflösung nicht beurteilt werden.
B) Prospektiver Teil: In der Histologie konnte bei hochgradigen Stenosen (Stenosegrad 3, Schweregradzuordnung basierend auf den Ergebnissen der Koronarsektion) ein Verhältnis von Lumendurchmesser zum Gesamtgefäß von 0,39, bei dem Flächenverhältnis von 0,19 und beim Umfangsverhältnis von 0,5 festgestellt werden. Bei der Schweregradzuordnung der Stenosen basierend auf den Ergebnissen der Angiographie ergaben sich Durchschnittswerte von 0,41 beim Durchmesserverhältnis, wertete man angiographisch festgestellte Gefäßabbrüche ebenfalls als hochgradige Stenose lag das Verhältnis bei 0,41, 0,2 beim Flächenverhältnis (mit Einbezug der Gefäßabbrüche bei 0,2) und 0,6 beim Umfangsverhältnis (mit Einbezug der Gefäßabbrüche bei 0,54). Bei den relativen Stenosen (Stenosegrad 1 oder 2, basierend auf den Ergebnissen der Autopsie) lagen diese Werte erwartungsgemäß höher (Durchmesser bei 0,48, bei der Fläche bei 0,3, beim Umfang bei 0,62). Die Werte für die relativen Stenosen basierend auf den Ergebnissen der Angiographie lagen bei 0,48 für das Durchmesserverhältnis, 0,31 beim Flächenverhältnis und 0,61 beim Umfangsverhältnis. Die exemplarische Validierung der Ergebnisse von 14 angiographisch untersuchten Fällen anhand des Goldstandards Koronarautopsie und histologischer Untersuchung konnte die suffiziente Eignung der Angiographie zur Ermittlung von Pathologien der Koronararterien bestätigen. Die Ergebnisse der histologischen Untersuchung wiesen wie erwartet eine höhere Einschränkung des Lumens beim Vorliegen von hochgradigen Stenosen auf.

DISKUSSION
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die MPMCTA als neue Methode in der Rechtsmedizin ein geeignetes diagnostisches Mittel zur Ermittlung von Pathologien der Koronararterien darstellt. Dabei liegt ihre Stärke nicht nur in der Detektion von Kalzifikationen, sondern es ist zudem möglich, aus den Ergebnissen der Angiographie verlässlich eine Schweregradeinschätzung der Stenose abzuleiten. Entsprechend der bisherigen Forschungserkenntnisse zeigte sich auch hier die hohe Relevanz der Durchführung einer zweiten Angiographiephase zur Differenzierung von Füllungsdefekten durch inkomplette Kontrastmittelfüllung und Kontrastmittelaussparungen durch tatsächlich vorhandene Stenosierungen. Die methodische Darstellbarkeit der Koronararterien war insbesondere in den proximalen Abschnitten von hoher Qualität, wohingegen die Darstellungsqualität im schmalkalibrigen Bereich der Gefäße etwas nachließ, wobei sich erfahrungsgemäß relevante Pathologien primär innerhalb der ersten Zentimeter manifestieren.

SCHLUSSFOLGERUNG
Nach Auswertung der hier erhobenen Ergebnisse können Pathologien der Koronararterien adäquat sowohl quantitativ als auch qualitativ durch die postmortale Angiographie erfasst werden. Dabei bestätigte sich die nach aktuellen Forschungsergebnissen bestehende Annahme, dass die PMCTA eine sinnvolle Ergänzung der konventionellen Autopsie darstellt. Derzeit ergeben sich jedoch nach wie vor methodische Unsicherheiten durch Artefakte bedingt durch physiologische postmortale Veränderungen des Körpers. Limitierend wirkt hier insbesondere die erschwerte Differenzierung von Füllungsdefekten und Koronarthrombosen. Eine verbesserte Darstellung der Koronararterien durch bildgebende Verfahren sowie eine genaue Fehleranalyse zur Schaffung von standardisierten Leitlinien bei der Auswertung der Angiographien sollte daher auch in Zukunft Gegenstand der Forschung sein. Dabei gibt es in der klinischen Forschung aktuelle Ansätze der Bildgebung mittels Ultra-High-Resolution CT, was auch in der postmortalen Bildgebung Anwendung finden könnte. Auch weiterführende Studien über eine gezielte maschinelle Befüllung der Koronararterien könnten zu einer Qualitätsverbesserung der Koronarangiographie führen.
URL: https://ediss.sub.uni-hamburg.de/handle/ediss/9568
URN: urn:nbn:de:gbv:18-ediss-99994
Dokumenttyp: Dissertation
Betreuer*in: Püschel, Klaus
Enthalten in den Sammlungen:Elektronische Dissertationen und Habilitationen

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