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Impulsivität und Informationsverarbeitung

Experimentelle Analysen anhand des kognitiv-energetischen Modells von Sanders (1983)

Zimmer, Uwe

In der vorliegenden Arbeit wird versucht, aktuelle Verhaltensunterschiede im Zusammenhang mit dem Persönlichkeitsmerkmal Impulsivität mit Hilfe des kognitiv-energetischen Informationsverarbeitungs-Modells von Sanders (1983) aufzuklären. Es interessiert dabei die Frage, wie impulsives Reagieren zustandekommt und, ob es sich auf eine Abweichung beim Geschwindigkeits-/Genauigkeits-Abgleich ( Speed-Accuracy-Trade-Off , SAT; Strategie-Hypothese ) oder eine Abweichung in einem Informations-Verarbeitungs-Schritt ( Verarbeitungs-Hypothese ) zurückführen lässt. Im Rahmen des Sanders-Modells ist schnelles und fehlerhaftes Reagieren mit einer Abweichung bei der Reaktionswahl infolge eines Defizits im Effort-System erklärbar. Es wurden insgesamt vier Experimente durchgeführt, in denen die Aufgabenvariablen Merkmals-Erkennung , Reaktionswahl und motorische Abstimmung auf Zusammenhänge mit der Impulsivität überprüft wurden. Darüberhinaus wurde per Instruktion die SAT-Strategie variiert (Genauigkeit vs. Geschwindigkeit oder Spontan/ohne Vorgabe). Impulsivität wurde per Fragebogen ( Impulsivitäts -Skala des I7; Eysenck et al., 1990) erhoben und die Stichproben entsprechend des Fragebogenwertes in Gruppen aufgeteilt. Im ersten Experiment wurden die Signal-Qualität und die SR-Kompatiblität als Aufgaben-Variablen eingesetzt, die Aufgabe war einmal unter Geschwindigkeits- und einmal unter Genauigkeits-Instruktion zu bearbeiten. Es zeigte sich eine Wechselwirkung Impulsivität x SR-Kompatibilität in Form einer geringeren Verlangsamung der Hoch-Impulsiven in inkompatiblen Durchgängen, die Zahl der Fehler stieg dabei nicht. Dieser Befund deutet auf einen Zusammenhang mit der Stufe Reaktionswahl hin. Anzeichen für eine Unterstützung der Strategie-Hypothese waren nicht zu erkennen. Im zweiten Experiment war die Aufgabe einmal ohne vorherige SAT-Instruktion und einmal unter Genauigkeits-Instruktion zu bearbeiten. Die Wechselwirkung Impulsivität x SR-Kompatibilität konnte erneut nachgewiesen werden. Es deutete sich darüberhinaus an, dass Hoch-Impulsive Probleme beim Anpassen ihrer SAT-Strategie haben. In Experiment 3 wurde die Vorperiodendauer als weitere Aufgabenvariable hinzugenommen. In diesem Experiment konnte die Verarbeitungs-Hypothese nicht weiter untermauert werden. Hoch-Impulsive begingen deutlich mehr Fehler, was auf eine Strategie-Änderung hinweist. Es zeigte sich eine Wechselwirkung Impulsivität x Vorperiodendauer x SR-Kompatibilität: Bei langer Vorperiodendauer zeigten Hoch-Impulsive in inkompatiblen Durchgängen eine stärkere Verlangsamung als Niedrig-Impulsive. In Experiment 4 war in den Reaktionszeiten bei kurzer Vorperiodendauer die mangelnde Verlangsamung der Hoch-Impulsiven in inkompatiblen Durchgängen wieder zu erkennen, die stärkere Verlangsamung bei langer Vorperiodendauer zeigte sich nicht. Da zuviele Fehler auftraten, waren die Kriterien der Additiven Faktoren-Methode (Sternberg, 1969) jedoch nicht erfüllt, der Befund untermauert demnach nicht die Verarbeitungs-Hypothese. Hoch-Impulsive begingen mehr Fehler als Niedrig-Impulsive. Die Fehlereffekte unterstützen die Strategie-Hypothese. Zur Klärung der Frage, inwieweit den in Experiment 3 beobachteten Effekten ein Defizit in einem energetischen System zugrundeliegt, wurde in Experiment 4 Koffein zur Manipulation des Activation-Systems eingesetzt und die Aktivität des Effort-Systems anhand zusätzlicher Herzaktivitäts-Maße (u.a. 0,1 Hz-Komponente der Herzfrequenz-Variabilität) gemessen. Parallel zur mangelnden Verlangsamung in inkompatiblen Durchgängen bei kurzer Vorperiodendauer deutete sich bei den Hoch-Impulsiven ein Abfall im mentalen Effort an. Koffein zeigte nicht die erwartete spezifische Wirkung auf das Activation-System . Insgesamt betrachtet sprechen die Befunde eher für die Verarbeitungs-Hypothese. Hoch-Impulsive zeigen bei inkompatiblen Durchgängen schnellere Reaktionen, weil die Reaktionswahl verkürzt wird. Es gibt Anzeichen dafür, dass dies auf ein Effort -Defizit zurückzuführen ist. Wenige Ergebnisse stützen die Strategie-Hypothese. Sie deuten auf ein Defizit bei der Strategie-Anpassung bei den Hoch-Impulsiven hin.