Berechnung des Phasenverhaltens nichtionischer Aminoxid-Tenside in Wasser und an Wasser/Öl-Grenzflächen durch dissipative Partikel Dynamik

In dieser Arbeit wurde eine neue mesoskopische Simulationsmethode (Dissipative Partikel Dynamik) zur Berechnung kolloidaler Systeme vorgestellt und anhand von verschiedenen Tensid/Wasser- sowie Tensid/Wasser/Öl-Systemen auf ihre Anwendbarkeit überprüft. Bei der DPD-Simulationstechnik, wie auch bei anderen computergestützten Methoden, wurde ein mathematisches Modell für reale Systeme entworfen und physikalische sowie chemische Eigenschaften mit numerischen Methoden berechnet. Bei der DPD-Methode handelt es sich um eine relativ neue Simulationstechnik, die ursprünglich für die Berechnungen von Polymersystemen entwickelt wurde. Der Einsatz der Methode für wässrige kolloidale Lösungen wurde bisher noch nicht ausreichend untersucht. Vor allem die Ermittlung der Wechselwirkungspotentiale für DPD-Partikel stellte ein ungelöstes Problem bei der Anwendung dieser Methode dar. Mit Hilfe verschiedener DPD-Modelle wurden in dieser Arbeit Tensid/Wasser sowie Tensid/Wasser/Öl-Systeme beschrieben und simuliert. Als Modell-Tenside dienten dabei verschiedene Alkylaminoxide, die vielseitig in der Industrie eingesetzt werden. Deren Phasenverhalten ist jedoch noch nicht ausreichend untersucht. Fast alle in der Praxis angewendeten Tensid-Systeme sind Mehrkomponenten-Systeme. Aus diesem Grund wurde mit dieser Arbeit ein Modell entwickelt, dass die Berechnungen von Mehrkomponenten-Tensid-Systemen durch die DPD-Simulationstechnik mit möglichst geringem Aufwand für die Parametrisierung erlaubt. Es wurde außerdem eine Methode zur Ermittlung der Wechselwirkungsparameter für die DPD-Berechungen entwickelt. Für diese Berechnungen wurde eine Technik vorgeschlagen, die eine Kombination aus der Flory-Huggins-Theorie und Monte Carlo-Simulationen darstellt. Nach diesem Verfahren wurden die Wechselwirkungen zwischen den DPD-Partikeln durch die Berechnungen der einzelnen Paarkontaktenergien ermittelt. Für die Aufteilung von realen Systemen auf DPD-Partikel sind zwei unterschiedliche Modelle, das dimere und das Mehrteilchen-Modell entwickelt und detailiert untersucht worden. Das dimere DPD-Modell wurde zur Untersuchung des Phasenverhaltens von DDAO in Wasser angewendet. Dabei wurde das Tensidmolekül (DDAO) durch zwei DPD-Partikel, ein hydrophobes (C) und ein hydrophiles (N) Teilchen dargestellt. Die berechneten Phasenbereiche zeigten trotz des sehr einfachen Modells des Tensides sehr gute Übereinstimmungen mit dem experimentell gemessenen Phasendiagramm. Dies gilt für alle Phasenbereiche. Durch die Auswertung der Isodichteprofile bei einer Tensidkonzentration von xDDAO=0,25 konnte die mittlere Mizellgröße sowie die mittlere Aggregationszahl der Mizellen, ZDPD zu ZDPD=71, berechnet werden. Diese mittlere Aggregationszahl zeigte eine gute Übereinstimmung mit Neutronen-Kleinwinkelstreuungs-Messungen von wässrigen DDAO-Lösungen oberhalb der cmc (ZSANS=78±2) [75]. Durch die DPD-Simulationen konnte innerhalb der mizellaren Phase bei Erhöhung der Tensidkonzentration ein „Kugel zu Stäbchen“-Übergang beobachtet werden. Dieses Phänomen wurde anhand von experimentell gemessenen Viskositätserhöhungen in physikalischen Systemen festgestellt [86] und nun erstmalig auch mit Hilfe der DPD-Berechnungen. Es wurden darüberhinaus Berechnungen in den Phasengrenzbereichen zwischen mizellaren und hexagonalen, sowie zwischen kubischen und lamellaren Phasen vorgenommen. Die DPD-Methode hat Strukturänderungen bei einer Variation der Tensidkonzentration von 5% in dem Grenzbereich zwischen zwei Phasen sehr gut wiedergegeben. Die Simulationsergebnisse zeigten viele strukturelle Details, die qualitativ sowie quantitativ mit experimentellen Beobachtungen gut übereinstimmen. Bei dem Mehrteilchen-DPD-Modell wurde das Tensid-Molekül durch mehrere DPD-Partikel dargestellt. Diese Aufteilung hat den Vorteil, dass die Aminoxide mit unterschiedlich langen Alkylketten, sowie verschiedene Kohlenwasserstoffmoleküle durch den gleichen Satz an DPD-Parametern modelliert werden konnten. Bei den Berechnungen der Grenzflächenspannungen für die Wasser/Öl- (mit Hexan, Nonan, Dodekan und Pentadekan) sowie Tensid/Wasser/Öl- (DDAO/Wasser/Hexan) Systeme zeigten die Ergebnisse eine gute Übereinstimmung mit den experimentellen Beobachtungen. Es wurden weitere Grenzflächenphänomene in Tensid/Wasser/Öl-Systemen mit Hilfe der DPD-Berechnungen untersucht wie z.B. der Einfluss der Alkylkettenlänge des Tensids auf die Grenz- und Oberflächenspannung. Die Simulationsergebnisse haben qualitativ den Einfluss auf die Grenzflächenspannung an der Wasser/Öl-Grenzfläche korrekt wiedergegeben. Außerdem wurde bei Tensidkonzentrationen oberhalb der cmc spontane Mizellbildung in der wässrigen Phase des Tensid/Wasser/Öl-Systems beobachtet. Ein wichtiger Aspekt ist, dass die Wasserstoffbrückenbindungen im DPD-Modell nicht explizit vorhanden sind. Trotz dieser Vereinfachung konnte eine spontane Ausbildung von Mizellen beobachtet werden. Die Berechnungen von Wasser/Öl-Grenzflächen in Anwesenheit von Mizellen haben ausgeprägte Fluktuationen des Wasser-Dichteprofils gezeigt. Diese Ergebnisse können zu neuen Interpretationsmöglichkeiten von Neutronen-Reflexionsmessungen [97-99] beitragen. Zudem wurde zwischen der Tensid-Monoschicht und Mizellen in Wasser die Ausbildung einer tensidarmen Wasserschicht beobachtet. Die Anwesenheit dieser sogenannten depletion-Schicht weist auf kurzreichende Kräfte zwischen der Tensid-Monoschicht und Mizellen hin. Das Verständnis über den Ursprung der depletion-Schicht kann für die Lösung von praktischen Problemen, wie der Solubilisierungskapazität für Öle in mizellaren Lösungen, beitragen. Die Ergebnisse dieser Arbeit tragen dazu bei, die DPD-Simulationsmethode zukünftig zur Untersuchung physikalischer Phänomene kolloidaler Systeme einzusetzen.

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