Polymorphieuntersuchungen ausgewählter Sulfonamide

In dieser Arbeit wurde die Polymorphie von pharmakologisch wirksamen Sulfonamiden im Hinblick auf strukturelle Unterschiede untersucht. Mit Ausnahme des 4-Chlorbenzolsulfonamids und des 1-Sulfanilyl-1-thioharnstoffs zeigen die untersuchten Substanzen Polymorphie bzw. Pseudopolymorphie. Es sollte versucht werden, von bereits bekannten, aber noch nicht röntgenkristallographisch untersuchten Modifikationen die Kristallstrukturen aufzuklären. Dies konnte für die Verbindungen Sulfanilharnstoff, 1-Sulfanilyl-1-thioharnstoff, 4-Chlorbenzolsulfonamid, Sulfasalazin und für 2 Modifikationen des Succinylsulfathiazols realisiert werden. Vom Succinylsulfathiazol wurden die Modifikationen I und II von insgesamt sechs Modifikationen aufgeklärt. Es handelt sich um konformationspolymorphe Kristallformen. Dieser Umstand liegt nahe, da es sich um eine Verbindung mit einer funktionalisierten C4-Seitenkette handelt. Die Konformationspolymorphie von n-butylierten Verbindungen wurde bereits von Henck ausführlich untersucht. Das Verhalten wird auch bei Verbindungen mit endständig substituierten n-Butylseitenketten, die ein sp3-Stickstoff- oder Sauerstoffatom besitzen, beobachtet. In dieser Arbeit konnte ebenfalls gezeigt werden, daß die Konformationspolymorphie auch bei funktionalisierten und nicht nur endständig substituierten Seitenketten vorhanden ist. Während die Modifikation I eine antiperiplanare Konformation besitzt, liegt bei der Modifikation II eine synclinale Konformation vor. Dies führt letztlich zu unterschiedlichen bzw. zusätzlichen Strukturmotiven. Thermoanalytische Messungen an den Verbindungen ergeben, wie in der Literatur beschrieben, Umwandlungstemperaturen in der Nähe von 400 K, die Umwandlungswärmen betragen ca. 3 ± 1.5 kJ/Mol. Auch bei den Verbindungen Sulfanilharnstoff und 1-Sulfanilyl-1-thioharnstoff kann von Konformationspolymorphie gesprochen werden, da hier ebenfalls unterschiedliche Konformationen der Seitenketten realisiert werden und dadurch verschiedene Strukturmotive resultieren. Während die Moleküle vom Sulfanilharnstoff im Kristallgitter über Ketten miteinander verknüpft sind, zeigt 1-Sulfanilyl-1-thioharnstoff aufgrund der Konformation der Thiocarbamidgruppe als zusätzliches Strukturmotiv ein Dimer. Beim Sulfasalazin, einer schwer zu kristallisierenden Verbindung, liegt bisher keine Kristallstruktur der solvat- und hydratfreien Form vor. Die Versuche, geeignete Einkristalle dieser Verbindung durch Kristallisation aus verschiedenen Lösungsmitteln zu erzeugen, führten jedoch zu keinem Ergebnis. Erst durch die Diffusionskristallisation über einen sehr langen Zeitraum gelang es erstmalig, die solvat- und hydratfreie Kristallform zu erhalten. Weiterhin konnten im Rahmen dieser Arbeit eine Reihe neuer Modifikationen und pseudopolymorphe Kristallformen vom Sulfanilamid, Sulfamerazin und Succinylsulfathiazol kristallisiert werden. Vom Sulfanilamid konnte eine vierte Modifikation und ein weiteres Monohydrat erhalten werden. Unter Verwendung der Schmelzpunkte und Dichten wurde ein E/T-Diagramm für das Sulfanilamid erstellt, um das polymorphe Verhalten der Modifikation IV zu den bereits bekannten Kristallformen festzustellen. Aus dem Diagramm ergibt sich für die Modifikation IV enantiotropes Verhalten zu den Modifikationen I und III und monotropes Verhalten zu II. In dieser Kristallform konnte eine Bandstruktur als zusätzliches neues Motiv bei den Modifikationen des Sulfanilamids aufgezeigt werden. Das erhaltene Monohydrat II ist eine relativ instabile Verbindung, dessen Dehydratisierung bereits kurze Zeit nach dem Herausnehmen aus der Mutterlauge zu beobachten ist. Der Einbau des Wassermoleküls in das Kristallgefüge und der Beteiligung aller Akzeptor- und Donorgruppen an den Wasserstoffbrückenbindungen hat aber offensichtlich keinen stabilisierenden Einfluß auf die Kristallstruktur, wie dies beim Sulfanilharnstoff-Monohydrat der Fall ist. Zur Liste der Solvate des Succinylsulfathiazols konnte ein weiteres Solvat (Methanol) dieser Verbindung hinzugefügt werden. Sie zeigt ähnlich instabiles Verhalten wie die Monohydrate des Sulfanilamids. Ein weiteres Beispiel für die gleichzeitige Kristallisation mehrerer Modifikationen aus Lösung liefert das Sulfamerazin. Bislang waren nur zwei Modifikationen bekannt. In dieser Arbeit konnten zwei weitere Modifikationen (III und IV) erhalten werden, die gleichzeitg mit der Modifikation I vorlagen. Während sich die Modifikation III deutlich durch den rhomboedrischen Kristallhabitus von den anderen Kristallformen unterscheidet, zeigt die Modifikation IV keine deutlichen Unterschiede. Es konnte an diesem Beispiel gezeigt werden, daß die gleichzeitig auftretenden Kristallformen nicht nur nahezu energetisch äquivalente Strukturen haben, sondern auch einen strukturell äquivalenten Aufbau mit nahezu identischen Packungen mit ähnlichen Packungsmotiven besitzen. Auch in diesem Fall wurde ein E/T-Diagramm erstellt. Demnach sind die Kristallformen I, II und III enantiotrop. Für die Modifikation IV können keine eindeutigen Aussagen gemacht werden, da eine morphologische Unterscheidung, und somit eine Auslese einzelner Kristalle zur Bestimmung des Schmelzpunktes, nur sehr schwer möglich ist. Ferner konnte in dieser Arbeit eine neue Verbindung erhalten werden, das Anhydro-succinylsulfathiazol (ASST). Bei dieser Substanz konnte sowohl die reine Verbindung als auch ein Monohydrat kristallisiert werden. Auch bei dieser Verbindung ist das Monohydrat eine sehr instabile Kristallform. Die Verbindungen Sulfasalazin (5), Succinylsulfathiazol (7) und Anhydro-succinyl-sulfathiazol (8) können als Konstitutionsisomere (Tautomere) vorliegen. Es stellt sich die Frage, ob in diesen Verbindungen die übliche Struktur mit einem aromatischen Heterocyclus (Amido-Form) oder einem partiell gesättigten Ring mit einer exocyclischen C=N-Doppelbindung in der Sulfonamid-Gruppe (Imido-Form) vorliegt. Die Position des Wasserstoffatoms wurde aus den gemessenen Restelektronendichten bestimmt. Wie bereits in Kap. 3.3 näher erläutert, erzielten die spektroskopischen Untersuchungen mit der 15N-NMR-Spektroskopie keine klärenden Resultate, da es sich nicht um isotopenangereicherte Verbindungen handelte. Von IR-spektroskopischen Messungen wurde abgesehen, da es sich bei den in Frage kommenden Kristallformen, insbesondere im Fall der Solvate des SST und ASST um sehr instabile Kristallformen handelte. Ferner können sich durch die Probenpräparation Modifikationsumwandlungen bzw. Modifikationsgemische ergeben, die zu falschen Annahmen führen würden. Wie insbesondere die Beispiele der Hydrate und Solvate zeigen, ist ein offensichtlicher Zusammenhang zwischen makroskopischen und mikroskopischen Größen bei dieser Verbindungsklasse nicht feststellbar. Als Beispiel sei hier aufgeführt, daß das Auftreten bestimmter Strukturmotive, sowie die darin vorhandenen intermolekularen Abstände (mikroskopische Größen) offensichtlich keinen Schluß auf Zusammenhänge mit z. B. der Stabilität, Dichte etc. (makroskopische Größen) zulassen. Strukturelle Einflüsse wie - unterschiedliche elektronische Gegebenheiten (1-Sulfanilyl-1-thioharnstoff, 1-Sulfanilyl-2-thioharnstoff, Einbau von Hydratwasser) - Unterschiede im Aufbau der Wasserstoffbrückenbindungen und damit der Bildung unterschiedlicher Strukturmotive sowie - Unterschiede in der Konformation der Seitenketten am Beispiel von Succinylsulfa- thiazol, Sulfanilharnstoff und der beiden oben genannten Thioharnstoffderivate. zeigen, daß diese zur Ausbildung verschiedener Modifikationen führen können.

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