Das wahre Elend? Die Rede von der "neuen Unterschicht"

Paul Nolte diagnostiziert 2004 in seinem Reformaufruf "Generation Reform" eine "neue Unterschicht" in der Bundesrepublik Deutschland. Mit dieser Behauptung verbindet er die Grundlegung einer neuen kulturalistischen Klassentheorie. Klassengesellschaften sind demnach als gegeben hinzunehmen und Klassenbewusstsein als Einsicht in dieses Phänomen neu zu bestimmen. Der scheinbar identifizierten "neuen Unterschicht" soll außerdem ein Erziehungsprogramm verpasst werden, das an Pestalozzis Armenerziehung aus feudalistischen Tagen erinnert. Allerdings erweist sich die neue kulturalistische Klassenanalyse vor dem Hintergrund einer relationalen Klassentheorie als völlig unzureichendes Analyseinstrumentarium. Dennoch erfahren kulturalistische Deutungen in jüngster Zeit in Form medialer Repräsentation und Vermittlung eine beachtliche Verbreitung. Grund dafür scheint das damit verbundene Versprechen zu sein, einfache Reaktionsmöglichkeiten auf menschliche Notlagen entwickeln zu können, ohne die strukturellen Bedingungen sozialer Ungleichheit und die damit verbundenen Macht- und Herrschaftsverhältnisse noch systematisch in Betracht ziehen zu müssen.

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