"Cross-Modal Plasticity" bei Gehörlosen : Eine Probandenstudie zur Untersuchung der Hirnplastizität

Der humane auditorische Kortex wird in primäre und sekundäre Verarbeitungsareale unterteilt. Primäre Areale sind für die interpretationsfreie Bewusstwerdung von auditorischen Impulsen verantwortlich. Durch fehlenden Eingang dieser Impulse, erhält der auditorische Kortex bei gehörlosen Menschen keine zu verarbeitenden Informationen. Ist das menschliche Gehirn in der Lage, bei fehlendem Eingang von Informationen, die Hörrinde anderweitig zu nutzen? Findet eine Reorganisation kortikaler Funktionen, so genannte „Cross-Modal Plasticity“, statt? Bisher ist „Cross-Modal Plasticity“ bei Gehörlosen ein umstrittenes Thema. Diese Arbeit untersucht sie in Abhängigkeit vom Ausmaß des Hörverlusts unter besonderer Berücksichtigung der zerebellären Funktionen. Drei Gruppen von Probanden, in ihrem Hörvermögen unterschiedlich, wurden dazu untersucht: Eine Probandengruppe mit normalem, eine weitere mit residualem Hörvermögen und eine dritte mit totalem Hörverlust. Die beiden letzt genannten Gruppen hatten gute Kenntnisse in deutscher Gebärdensprache. Die Gruppen wurden mittels fMRT in einem Standard Block-Design untersucht. Die Messung umfasste 2 Gebärdensprachparadigmen („schwarzer Bildschirm“ vs. „Gesten“), und 3 weitere Sprachparadigmen (Text lesen, Text hören, Musik hören). Während des Gebärdesprachparadigmas „schwarzer Bildschirm“ konnte bei Gehörlosen ohne Resthörvermögen (RHV) eine signifikante Aktivierung des primär auditorischen Kortex (BA 41) demonstriert werden. Gehörlose mit RHV zeigten keine Aktivierung der BA 41. Es kann der Schluss gezogen werden, dass „Cross-Modal Plasticity“, entsprechend einer Verarbeitung von visueller Gebärdensprache im auditorischen Kortex, bei Gehörlosen in Abhängigkeit vom Ausmaß des Hörverlusts existiert. Durch die drei weiteren Sprachparadigmen konnte außerdem nachgewiesen werden, dass das Kleinhirn an der Verarbeitung von Sprache beteiligt ist: Normalprobanden, die einen Text lesen und gehörlose Probanden, denen dieselbe Erzählung in Gebärdensprache gezeigt wird, weisen beide signifikante Aktivierung im Crus I der Kleinhirnhemisphäre auf. Auch wenn andere Erklärungen, wie das „innere Sprechen“, möglich sind, wird doch die Sprachspezifität durch die Korrelation von Crus I und BA 21 unterstützt.

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