Suchtmittelkonsum und sexuelles Risikoverhalten HIV-positiver Männer in spezialisierter ambulanter Behandlung

In westlichen Industriestaaten bilden Männer, die sexuelle Kontakte zu Männern (MSM) haben die größte Subgruppe unter HIV-Infizierten. In Deutschland betreffen 62 % aller HIV-Infektionen MSM. Die Inzidenz in dieser Gruppe ist auf hohem Niveau stabil. Um mithilfe von zielgruppenspezifischen Präventions- und Interventionsstrategien sexuell riskante Verhaltensweisen und somit potenzielle HIV-Transmissionen zu reduzieren, ist die Identifikation von Determinanten sexuellen Risikoverhaltens essenziell. Die vorliegende Untersuchung analysiert den Konsum von Suchtmitteln, die Ausprägung von Impulsivität, depressiven Symptomen, kompulsivem Sexualverhalten und sexuellem „Sensation Seeking“ als Einflussfaktoren auf sexuell riskantes Verhalten von HIV-Patienten. <br> Bisherige Studien untersuchten zumeist US-amerikanische Stichproben und HIV-negative MSM. Bislang gibt es keine Daten aus Deutschland und nur wenige aus Europa. Untersucht wurden 475 HIV-positive MSM, die seit mindestens zwölf Monaten von ihrer Infektion wussten und sich in spezialisierter ambulanter Behandlung an Universitätsklinken befanden. Das Sexualverhalten in den vorangegangenen zwölf Monaten und der Konsum von Alkohol und Drogen wurden mithilfe eines persönlich geführten strukturierten Interviews erhoben. Weiterhin kamen vier Selbstberichtsfragebögen zum Einsatz. <br> Es zeigte sich, dass 61 % der Befragten in den letzten zwölf Monaten ungeschützte Sexualkontakte hatten. Von dem für die HIV-Transmission besonders relevanten ungeschützten insertiven Analverkehr berichteten 37 % der Teilnehmer. Hinsichtlich des Zusammenhangs von Suchtmitteln und sexuell riskantem Verhalten zeigte sich, dass Konsumenten von Cannabis, Amylnitrit („Poppers“), Dissoziativa, Amphetaminen, Kokain, Medikamenten gegen erektile Dysfunktionen und Alkohol signifikant häufiger von ungeschützten insertiven oder rezeptiven Analverkehr berichteten. Auch Alkohol- und Drogenkonsum im direkten Kontext sexueller Aktivität erhöhte signifikant die Häufigkeit für ungeschützten Analverkehr. <br> Bei der Entwicklung zukünftiger Präventions- und Interventionsstrategien sollte Suchtmittelkonsum als wichtige Einflussgröße berücksichtigt werden. Zielgruppenspezifische „Prävention mit Positiven“ sollte integrierter Bestandteil eines umfassenden HIV-Präventionskonzeptes werden.
Objective: Unprotected sexual intercourse between men having sex with men (MSM) is the most common way of HIV-infection in Germany. About 70% of newly infected people are MSM. Substance use is in general a determinant of sexual risk behavior, but also in MSM. There are only a few US-American studies on the correlation between substance use and sexual risk behavior in HIV-infected MSM in specialized care. <br> Methods: In a German sample of 445 HIV-infected MSM treated in specialized outpatient clinics the influence of substance use on sexual risk behavior was investigated. Subjects were examined by self-report questionnaires and a structured interview. <br> Results: Recreational drug use was common. The prevalence of cannabis addiction (4.5%) and harmful use of cannabis (4.3%) as well as of harmful use of dissociative anesthetics (0.4%) was higher than in the male German general population. A relevant proportion of patients reported unprotected insertive (32.9%) and receptive (34.6%) anal intercourse during the last 12 months. Use of cannabis, amyl nitrite, dissociative anesthetics, cocaine, amphetamines and erectile dysfunction medication was significantly correlated with unprotected sexual contacts. Substance use in the context of sexual activity significantly increased sexual risk behavior. <br> Conclusion: Substance use, especially in context of sexual activity, should be taken into account when developing new prevention and intervention programs aiming at the reduction of sexual risk behavior in HIV-infected MSM currently in specialized care.

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