Selbständig entdeckendes Experimentieren – Lernwirksamkeit der Strategieanwendung

Ausgangspunkt dieser Arbeit war der Kontrast zwischen dem Bildungsziel der Entwicklung wissenschaftsmethodischer Kompetenzen zum Erlangen tiefergehenden Verständnisses naturwissenschaftlicher Inhalte (Fischer et al., 2004; KMK, 2005; Ministerium für Schule, 2004) sowie der dazu gelegte Schwerpunkt auf das Experimentieren (Hammann et al., 2007) und den Erkenntnissen des geringen Lernerfolgs beim Experimentieren (Hofstein & Lunetta, 1982; Hucke & Fischer, 2002). <br><br> Vor diesem Hintergrund wurde die Strategieanwendung beim Experimentieren hinsichtlich des zu erwerbenden deklarativ-konzeptuellen Wissens und des Handlungswissens untersucht. Dazu wurde das Experimentieren basierend auf dem Scientific discovery as Dual Search Modell (SDDS; Klahr & Dunbar, 1988) als selbständig entdeckendes Experimentieren konzeptioniert. Angenommen wird, dass Lernende beim erfolgreichen selbständig entdeckenden Experimentieren zwei aufeinander bezogene Fertigkeiten beherrschen: das Aufstellen von Hypothesen und die Durchführung von Experimenten. Klahr und Dunbar (1988) beziehen sich im Kern ihres SDDS-Modells auf historische Analysen wissenschaftlichen Entdeckens (Conant, 1964; Mitroff, 1974), die annehmen, dass die Interaktion zwischen dem Aufstellen von Hypothesen und dem Durchführen von Experimenten ausschlaggebend für den Erfolg von wissenschaftlichen Bestrebungen ist (z. B. Klahr & Dunbar, 1988; Simon & Lea, 1974; Vollmeyer et al., 1996). Dies wird als Vorraussetzung für das Entdecken und den Erwerb neuer Informationen und tiefergehendes Verständnis über einen spezifischen Inhaltsbereich gesehen. Bei dieser Form des Experimentierens wird ein zyklischer Prozess betont, der aus der Forschung des selbstregulierten Lernens bekannt ist (z. B. Winne & Hadwin, 1998). <br><br> Mit Hilfe einer computerbasierten Lernumgebung zum physikalischen Thema Auftrieb in Flüssigkeiten wurden verhaltensbasierte Maße der Strategieanwendung beim selbständig entdeckenden Experimentieren entwickelt. Somit war es möglich, die theoretischen Annahmen über die Lernwirksamkeit der Strategieanwendung empirisch zu überprüfen. In Varianzanalysen und Pfadmodellen zeigte sich, dass eine interagierende Strategieanwendung effektiver ist, als die Durchführung einzelner systematischer Handlungen oder unsystematischer Handlungen. Diese Ergebnisse konnten sowohl für das erworbene deklarativ-konzeptuelle als auch für das erworbene Handlungswissen bestätigt werden. Eine Überprüfung des Modells anhand einer zweiten computerbasierten Lernumgebung zum chemischen Thema Säuren und Basen konnten die Erkenntnisse bestätigen. <br><br> Um den geringen Lernerfolg beim selbständig entdeckenden Experimentieren weiter analysieren zu können, wurden häufig auftretende Probleme und Fehler (de Jong & van Joolingen, 1998) aus der Literatur abgeleitet. Auf Basis dessen wurden Fehler, in Fehler der unsystematischen Strategieanwendung und Fehler bezogen auf das Abweichen vom Inquiry-Prozess unterschieden. Vor diesem Hintergrund konnte gezeigt werden, dass die fehlerhafte Strategieanwendung einen negativen Einfluss auf den Lernerfolg im Sinne des erworbenen deklarativ-konzeptuellen Wissen und des erworbenen Handlungswissen hat. <br><br> Zusammenfassend konnte in dieser Arbeit gezeigt werden, dass eine interagierende Strategieanwendung gemäß dem SDDS-Modell lernwirksam ist und dass sich insbesondere eine fehlerhafte Anwendung von Experimentierstrategien negativ auf den Lernerfolg auswirkt. Diese Erkenntnisse können als Grundlage zur Entwicklung und Implementierung von Fördermaßnahmen des selbständig entdeckenden Experimentierens genutzt werden.
The starting point of this thesis is the contrast between the aim of the development of scientific competences to achieve in-depth knowledge (Fischer et al., 2004; KMK, 2005; Ministerium für Schule, 2004), the focus on experiments in lessons (Hammann et al., 2007), and the findings concerning low learning achievement of experiments (Hofstein & Lunetta, 1982; Hucke & Fischer, 2002). Against this background, learners’ strategy use during experimentation was analyzed regarding declarative-conceptual knowledge and procedural knowledge acquisition. For that purpose, experimenting was conceptualized as discovery experimenting based on the Scientific discovery as Dual Search model (SDDS-model; Klahr & Dunbar, 1988). This model assumes that learners are proficient in two related scientific skills: generating hypothesis and conducting experiments. Klahr and Dunbar (1988) thereby basically refer to historical analyses of scientific discovery (Conant, 1964; Mitroff, 1974) that assume that the interaction between generated hypothesis and conducted experiments is crucial to its success of scientific efforts (z. B. Klahr & Dunbar, 1988; Simon & Lea, 1974; Vollmeyer et al., 1996). In turn, this is regarded as a requirement to discover and generate new information and in-depth knowledge in a specific scientific content. Thereby, the cyclic character of this process is emphasized which resembles the processes described in the models of self-regulated learning (e.g. Winne & Hadwin, 1998). With the help of a computer-based learning environment on buoyancy in fluids measures of strategy use were developed to assess discovery experimenting. Consequently, the theoretical assumptions concerning the effectiveness of the use of interacting strategies could be empirically tested. Analysis of variance as well as path analysis showed that the use of interacting strategies is more effective than unsystematic actions or the conduction of experiments, only. This could be shown for declarative-conceptual knowledge as well as the procedural knowledge acquisition. A verification of the model based on a second computer-based learning environment on acids and bases confirmed the results. Additionally, the general low learning achievement of discovery experimenting was further analysed regarding common problems and mistakes (de Jong & van Joolingen, 1998) which were generated from the relevant literature. Based on the literature, mistakes were divided into unsystematic use of strategies and deviations from the inquiry-process. Against this background, it could be shown that the unsystematic use of strategies has a negative effect on declarative-conceptual as well as procedural learning achievement. In summary, this thesis showed that an interacting use of strategies as postulated in the SDDS-model is effective. In addition, especially the unsystematic use of strategies hinders learning. These findings can be used to develop and implement support for discovery experimenting in computer-based learning environments to foster learning achievement and in-depth knowledge.

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