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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Bestimmt der Wohnort über unsere medizinische Versorgung? Überlegungen zu einem populationsbezogenen Analysemodell zur Erklärung regionaler Unterschiede

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Dominik von Stillfried - ZI für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland, Berlin, Germany
  • presenting/speaker Thomas Czihal - ZI für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland, Berlin, Germany
  • Michael Erhart - ZI für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland, Berlin, Germany
  • Sandra Mangiapane - ZI für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland, Berlin, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocPO3-2-02-234

doi: 10.3205/13dkvf233, urn:nbn:de:0183-13dkvf2336

Published: October 25, 2013

© 2013 von Stillfried et al.
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Text

Hintergrund: "In healthcare geography is destiny", lautete die Erkenntnis von Jack Wennberg. Aus seiner Entdeckung kleinräumiger regionaler Versorgungsunterschiede ist in rund 40 Jahren eine internationale Forschungsrichtung entstanden. Dazu zählt die Entwicklung von Gesundheitsatlanten zur Darstellung räumlicher Versorgungunterschiede. Die Suche nach erfolgreichen Konzepten zur Verringerung unerwünschter regionaler Variationen in der medizinischen Versorgung dauert an.

Die kartografische Darstellung von Versorgungsunterschieden erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Sie kann ein ausdruckstarkes Kommunikationsmedium sein. Nicht in jedem Fall einer kartografischen Darstellung wird jedoch geprüft, ob die gewählte Darstellungsform geeignet ist. Wir stellen deshalb die Frage, ob die kartografische Darstellung nicht auch zu falschen Schlussfolgerungen verleiten kann. Dies wäre dann der Fall, wenn die beobachteten Versorgungsunterschiede nicht auf räumlich verteilte Einflussgrößen zurückzuführen sind, die durch die gewählte kartografische Gliederung sinnvoll wiedergegeben werden, sondern vielmehr durch das kartografische Schema erzwungene zufällige Ausprägungen individueller Behandlungsstile und Inanspruchnahmegewohnheiten darstellen.

Fragestellung: Art und Intensität der Versorgung von Populationen sollen im Hinblick auf räumlich verteilte Einflüsse sowie auf den Beitrag der maßgeblichen Versorgungseinrichtungen als Ursache von Versorgungsunterschieden verglichen werden können.

Methodik: Die Abgrenzung der relevanten Population kann in diesem Fall nicht nach geografischen Kriterien erfolgen, sondern ergibt sich aus der Analyse des Versorgungsgeschehens. Anhand von Abrechnungsdaten wird ermittelt, welche Versorgungseinrichtungen gemeinsame Patienten aufweisen. Hierbei wird z.B. von der (Hausarzt-)Praxis ausgegangen, bei der der Versicherte die höchste Leistungsinanspruchnahme hatte; diese und alle Praxen/Krankenhäuser, bei denen der Versicherte weitere Leistungen in Anspruch genommen hat, werden dann zur Versorgungsgemeinschaft zusammengefasst. Die von der Versorgungsgemeinschaft versorgten Patienten sind die relevante Population. Die Versichertengemeinschaft ist restlos auf die Versorgungsgemeinschaften zu verteilen, so dass jeder Versicherte mit einer Leistungsinanspruchnahme ausschließlich einer Versorgungsgemeinschaft zugeordnet ist. Die Versorgung der so abgegrenzten Populationen wird anhand ausgewählter Indikatoren verglichen. Der Verteilung der Indikatorausprägungen je Versorgungsgemeinschaft kann nach Raumordnungskriterien (z.B. städtisch versus ländlich lokalisierte Versorgungsgemeinschaften) verglichen werden. Ebenso kann geprüft werden, ob die Indikatorausprägungen sich innerhalb von Versorgungsgemeinschaften nach räumlich verteilten Merkmalen (z.B. kleinräumige Sozialstruktur der Patienten) unterscheiden.

Ergebnisse: Die Methode wurde in den USA anhand von ärztlichen und stationären Abrechnungsdaten (Medicare) entwickelt und erprobt und zur Evaluation der Versorgungsqualität von Diabetikern verwendet. Die Anwendung in den USA zeigt systematische Unterschiede in der Versorgung ethnischer Gruppen aber auch einen hohen Einfluss der Versorgungsgemeinschaften. Die Übertragung auf Deutschland erfolgt erstmalig anhand von bundesweiten Abrechnungsdaten der vertragsärztlichen Versorgung des Jahres 2010 (ca. 60 Mio. Patientenentitäten, ca. 100.000 Praxen). Hierbei wird deutlich, dass die Varianz der Indikatorausprägung zwischen geografischen Regionen wenig differiert. Dagegen zeigt sich eine starke Variation zwischen den Versorgungsgemeinschaften. Best-Practice-Beispiele finden sich z.B. auch in Regionen mit einem niedrigen Mittelwert für den betreffenden Indikator. Somit kommt der regionalen Betrachtung vielfach geringere Bedeutung zu als bisher angenommen. Weitere Ergebnisse zur Differenzierung regionaler Einflussfaktoren und der "Behandlungsstile" von Versorgungsgemeinschaften werden berichtet.

Diskussion/Schlussfolgerung: Die Befunde werden diskutiert im Hinblick auf deren Bedeutung für die Methoden der Versorgungsforschung sowie mögliche Nutzbarkeit für gesetzliche Aufgaben der Kassenärztlichen Vereinigungen.